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       # taz.de -- Über 1000 Tote im Kongo: Ebola praktisch außer Kontrolle
       
       > Nach acht Monaten gibt es über 1000 amtlich registrierte Ebola-Tote im
       > Kongo. Gewalt und Flucht beschleunigen die Ausbreitung, sagen Helfer.
       
   IMG Bild: Gesundheitspersonal in Butembo demonstriert gegen die Gewalt, 24. April 2019
       
       Berlin taz | Die Kurve geht immer steiler nach oben: Über 1.000 Menschen
       sind mittlerweile in der Demokratischen Republik Kongo an der
       Ebola-Epidemie gestorben, die seit August 2018 im Osten des Landes wütet.
       Die symbolträchtige Marke wurde am vergangenen Freitag überschritten, mit
       einem Anstieg der bestätigten Todesfälle von 994 auf 1.008 in der Zählung
       des kongolesischen Gesundheitsministeriums.
       
       Am Sonntag abend waren es schon 1.029. Über acht Monate haben die ersten
       tausend Toten gedauert – aber nach der aktuellen Anstiegsrate werden die
       nächsten tausend nur drei Monate auf sich warten lassen.
       
       „Wir erwarten ein Szenario andauernd intensiver Übertragung“, sagte am
       Freitag der Notlagendirektor der Weltgesundheitsorganiastion (WHO), Michael
       Ryan, in Genf. Der jüngste WHO-Lagebericht von vergangener Woche führt die
       beschleunigte Seuchenausbreitung zurück auf „eine allgemeine
       Verschlechterung der Sicherheitslage und anhaltendes vereinzeltes
       Misstrauen, verschärft durch politische Spannungen und Unsicherheit“.
       
       Dadurch müssten Ebola-Tests und Seuchenbekämpfungsmaßnahmen immer wieder
       ausgesetzt werden – das führt regelmäßig zeitversetzt zu einer
       beschleunigten Ausbreitung des tödlichen Virus. Auch die laufenden
       Impfprogramme, die bereits über 100.000 Menschen erreicht haben, werden
       dadurch gestört.
       
       Hilfswerke vermelden eine beunruhigende Veränderung: Früher wurden viele
       Neuerkrankungen an Orten gemeldet, wo zuvor gar keine Krankheitsfälle
       aufgetreten waren – das deutete auf hohe Dunkelziffern hin und darauf, dass
       Präventionsmaßnahmen viele Menschen noch gar nicht erreichten. Heute kommen
       die meisten Todesfälle dort vor, wo längst Ebola-Bekämpfungsteams aktiv
       sind – „das bedeutet, dass die Leute keine Behandlung aufsuchen“, erklärt
       die Internationale Rotkreuzföderation IFRC.
       
       Denn das Ebola-Gebiet im Nordteil der Provinz Nord-Kivu ist zugleich
       Spannungsgebiet. Es ist eine [1][Oppositionshochburg], und immer wieder
       streuen Politiker das Gerücht, die Seuche werde gezielt eingesetzt, um die
       einheimische Bevölkerung zu dezimieren.
       
       ## Zivilisten geraten zwischen Fronten
       
       Es ist auch [2][Konfliktgebiet]: Seit Jahrzehnten ist in den Grenzgebieten
       zu Uganda die ursprünglich unter ugandischen Muslimen entstandene
       Rebellengruppe ADF (Allied Democratic Forces) aktiv, unzählige lokale
       Selbstverteidigungsmilizen halten dagegen, und die Regierungsarmee wird als
       fremder Besatzer gefürchtet. Es ist eine Konstellation, in der Zivilisten
       immer wieder zwischen die Fronten geraten.
       
       Ebola-Behandlungszentren sind als Vorposten der Staatsgewalt Angriffsziele
       geworden. 119 solche Angriffe hat die WHO nach eigenen Angaben seit Januar
       dokumentiert.
       
       Am 19. April starb erstmals ein ausländischer Arzt: Der Kameruner Rochard
       Valery Mouzoko Kiboung fiel einem Angriff auf die Universitätsklinik der
       Großstadt Butembo zum Opfer. „Er leitete eine Teambesprechung, als drei
       Bewaffnete in den Raum eindrangen und das Feuer eröffneten“, erklärte
       Kongos Gesundheitsministerium; der Fuhrpark und Eingangsbereich der Klinik
       seien in Brand gesteckt worden.
       
       Am Vortag hatte erstmals der „Islamische Staat“ (IS) die Verantwortung für
       einen Angriff auf einen Armeeposten im Distrikt Kamango, ADF-Hochburg an
       der ugandischen Grenze, übernommen. [3][Die ADF] wird schon länger von
       Kongos Regierung in die Nähe des internationalen Terrorismus gerückt.
       
       Egal, ob das IS-Bekenntnis echt ist – allein seine Existenz stellt das
       Szenario in den Raum, jetzt Seuchen- und Terrorbekämpfung Hand in Hand
       gehen zu lassen. Das dürfte erst recht Konflikte und Panik schüren.
       
       ## Milizengewalt nimmt parallel zu Ebola zu
       
       Denn Milizengewalt nimmt parallel zur Ebola-Ausbreitung rapide zu. Seit
       Ende März wurden 100.000 Menschen in der Region in die Flucht getrieben,
       warnte ein Bündnis von 17 Hilfsorganisationen am vergangenen Freitag.
       
       Am schwersten betroffen sei der Distrikt Kamango, eine unwegsame
       Bergwaldregion an der Grenze zu Uganda. Es ist der einzige Distrikt der
       Gegend, in dem keine Ebola-Bekämpfer aktiv sind, obwohl die Seuche längst
       dort angekommen sein dürfte. Allein um Kamango seien 60.000 Menschen auf
       der Flucht – viele davon aus Ebola-Zonen.
       
       In der Grundschule des Grenzortes Nobili sind dem Bericht zufolge 7.000
       Menschen gestrandet, ohne Versorgung und ohne Wasser außer aus dem Fluss.
       Der Weg zurück in die Heimat sei von der Armee abgeriegelt, und so
       versuchten viele, sich illegal nach Uganda durchzuschlagen, was das Risiko
       einer Ebola-Ausbreitung über Kongos Grenzen hinaus erhöhe.
       
       6 May 2019
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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