URI: 
       # taz.de -- Schulreinigung in Neukölln: „Preisdumping nicht mitmachen“
       
       > Zwei Minuten pro Klassenzimmer: Eine Neuköllner Bürgerinitiative will
       > Schulreinigung verbessern und fordert Rekommunalisierung
       
   IMG Bild: Häufig ein Knochenjob: Fachkraft im Reinigungsgewerbe
       
       taz: Herr Dehne, Ihre Neuköllner Bürgerinitiative „Schule in Not“ fordert
       die Rekommunialisierung der Schulreinigung im Bezirk. Warum? 
       
       Philipp Dehne: Moment, das kommt gerade verkürzt rüber. Hinter dieser
       Forderung stehen verschiedene Überlegungen: Wir wollen zum Beispiel, dass
       man das völlig unerfüllbare Arbeitspensum bei der Schulreinigung der
       Realität anpasst. Und wir wollen, dass die Schulen wieder feste
       Ansprechpartner haben statt ständig wechselnder Mitarbeiter von privaten
       Firmen. Das ließe sich viel besser erreichen, wenn das Schulamt des Bezirks
       die Reinigungskräfte selbst fest anstellt.
       
       Wie sieht denn die Realität in den Schulen derzeit aus? 
       
       Ich habe mit Reinigungskräften, Hausmeistern, Sekretariaten und
       Schulleitungen von zwanzig Schulen im Bezirk gesprochen, also etwa einem
       Drittel aller Neuköllner Schulen. Was ich dort gehört habe: So wie die
       Reinigungsfirmen kalkulieren – weil in der Regel das günstigste Angebot den
       Zuschlag bekommt – ist das für die Angestellten schlicht nicht leistbar.
       Ein Beispiel: An einer Schule hatte das Reinigungspersonal für zweieinhalb
       Gebäude insgesamt 16 Stunden Zeit. Nach der Neuausschreibung hat aber die
       Firma den Zuschlag bekommen, die ihren Mitarbeitern [1][nur 8 Stunden zur
       Verfügung] gestellt hat.
       
       Also bleibt die Schule dreckig? 
       
       Ein Hausmeister an einer Grundschule hat mir gesagt, dass die Putzkräfte
       zwei Minuten pro Klassenraum haben. Das funktioniert natürlich nicht. Oder
       der Klassiker: Die Toiletten sind so verdreckt, dass man es sich verkneift,
       in der Schule aufs Klo zu gehen. De facto machen die Reinigungskräfte oft
       unbezahlte Überstunden, pro Tag locker eine halbe bis zu einer Stunde.
       
       Da gibt es aber doch einen Branchentarifvertrag, der solche Dinge regelt. 
       
       Wer kontrolliert das denn? Die Gewerkschaft IG Bau sagt auch, dass
       unbezahlte Überstunden ein Missstand in der Branche sind. Mir wurde von
       Hausmeistern gesagt, dass sie die Verträge zwischen Bezirksamt und Firmen
       einsehen wollten. Da hieß es dann: Das ist privates Vertragsrecht, das geht
       nicht. Zumindest aus einer Schule weiß ich aber, dass dort 32 Stunden pro
       Woche mit der Reinigungsfirma vereinbart und abgerechnet wurden.
       Tatsächlich sind offenbar nur 17 abgeleistet worden.
       
       Sie meinen, es gibt Firmen, die die Strukturen ausnutzen, um sich zu
       bereichern? 
       
       Zumindest steht da die Frage im Raum, ob die Firmen das Geld, das sie vom
       Bezirk bekommen, korrekt in Stunden umsetzen.
       
       Auch nicht gerade arbeitnehmerfreundlich: Viele Schulen werden nachts
       geputzt, weil man sonst den Betriebsablauf stören würde. 
       
       Ja. Von einer Firma weiß ich, dass sie ihre Angestellten nachts arbeiten
       lassen, ohne Zuschläge zu zahlen. Nicht ohne Grund beklagen die Schulen,
       dass die Reinigungskräfte im Monats- oder gar Wochenrhythmus wechseln.
       Zudem wird den Firmen wegen mangelnder Leistungserbringung oft vorzeitig
       gekündigt.
       
       Nun ginge es ja auch eine Nummer kleiner, als gleich mit Rekommunalisierung
       zu kommen. Könnten sich die Bezirke nicht auf gemeinsame
       Musterausschreibungen einigen, die Reinigungsstandards und
       Arbeitsbedingungen und Ähnliches festlegt? 
       
       Das Problem bliebe bestehen: Was derzeit in der [2][Reinigungsbranche]
       stattfindet, ist ein Unterbietungswettbewerb …
       
       … das Bezirksamt hingegen müsste eigene Angestellte nach dem öffentlichen
       Tariflohn TvÖD zahlen. 
       
       Genau. Dann würde man das [3][Preisdumping] nicht mehr mitmachen.
       
       7 May 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verschmutzte-Schulen-in-Berlin/!5051469
   DIR [2] /Schwerpunkt-Ausbildung/!5531880
   DIR [3] /taz-Serie-Was-macht-eigentlich--Teil-5/!5559998
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
       ## TAGS
       
   DIR Lohndumping
   DIR Berlin-Neukölln
   DIR Bürgerbegehren
   DIR Mindestlohn
   DIR IG BAU
   DIR Prekäre Arbeit
   DIR Geringverdiener
   DIR Informelle Arbeit
   DIR Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bürgerbegehren „Saubere Schulen“: Neukölln wird sauberer
       
       Der Bezirk will die Vorgaben für die Schulreinigung modifizieren. Am
       Mittwoch übergibt eine Initiative Unterschriften für eine
       Rekommunalisierung.
       
   DIR Tarifstreit bei Gebäudereinigern: Berlin droht ein dreckiger Streik
       
       Der Rahmentarifvertrag für Gebäudereiniger ist zum 1. August ausgelaufen.
       Gewerkschaft und Arbeitgeber streiten um eine neue Regelung.
       
   DIR Putzgipfel in Berlin: Raus aus der Schmuddelecke
       
       Hauptgrund für zu viel Dreck an Schulen sind die miesen Arbeitsbedingungen
       der Reinigungskräfte. Zeit für ein Revival der Tagesreinigung.
       
   DIR Wer bekommt mehr Geld im neuen Jahr?: Linke Tasche, rechte Tasche
       
       Was ändert sich 2019? Das kommt auf die Perspektive an. RentnerInnen und
       Schwarzhändler profitieren, Arbeitslose eher nicht.
       
   DIR Schwarzarbeit in Bremerhaven: Ausgebeutete Arbeiter
       
       In Bremerhaven gibt es nach Ansicht der Linken Tagelöhnerei und einen
       „grauen Arbeitsmarkt“. Der Magistrat weiß von nichts.
       
   DIR Verschmutzte Schulen in Berlin: Saubere Lösung gesucht
       
       Die Beschwerden über mangelnde Sauberkeit in Berliner Schulen nehmen wieder
       zu. Der Protest formiert sich – und hat nun erste Konsequenzen.