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       # taz.de -- Abgeordnetenhaus-Debatte: „In einer Liga mit Paris und Boston“
       
       > Die Koalition ermüdet im Parlament mit dem wenig strittigen Thema
       > Wissenschaft. Regierungschef Müller sieht Forschung als Hauptmittel gegen
       > Arbeitslosigkeit.
       
   IMG Bild: In Berlin gibt es derzeit rund 191.000 Studierende – 2006 waren es rund 60.000 weniger
       
       Die einen blicken auf den Laptop vor sich, andere auf ihr Handy. Ruhig ist
       es an diesem Donnerstagmorgen in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses.
       Selbst in den Reihen der SPD-Fraktion wirkt man nicht wirklich gebannt vom
       Thema Wissenschaft, an dem sich die eigene Abgeordnete soeben am Rednerpult
       abarbeitet. Es ist nicht gerade das, wofür die „Aktuelle Stunde“ als
       Tagesordnungspunkt mit der längsten Redezeit erfunden wurde. Den
       AfD-Abgeordneten Martin Trefzer bringt das zu der Vermutung, die
       rot-rot-grüne Koalition habe bloß deshalb auf diesem Thema für die zentrale
       Debatte bestanden, weil man sich da ausnahmsweise mal nicht streite.
       
       Andere Vorschläge hatte es gegeben – die CDU-Fraktion etwa hätte gern über
       das Thema Europa gesprochen, was angesichts der in wenig mehr als zwei
       Wochen anstehenden Wahl tatsächlich aktuell gewesen wäre. So aber musste
       als Aufhänger für Wissenschaft die sechs Tage alte Nachricht herhalten,
       dass die Bundesregierung die deutschen Hochschulen über den bisherigen
       Hochschulpakt hinaus dauerhaft unterstützen will. Und so mühen sich die
       wissenschaftspolitischen Sprecher der sechs Fraktionen, Konflikte auf
       Landesebene herauszuarbeiten.
       
       Was aber merklich schwierig ist und weitgehend auf Kritik an nicht genug
       Wohnheimplätzen für Studierende und weiterhin befristete Stellen an den
       Hochschulen begrenzt bleibt. FDP-Mann Stefan Förster lobt sogar den
       zuständigen Staatssekretär Steffen Krach von der SPD und bittet die
       Koalition gar nicht mal scherzhalber, ihn von jüngst praktizierten
       Staatssekretärs-Wechseln auszunehmen. Hintergrund ist, dass der Senat seit
       Dezember vier Staatssekretäre ersetzte. Offiziell zuständig für
       Wissenschaft ist Regierungschef Michael Müller (SPD), der das Ressort
       zusätzlich übernahm, weil die Berliner Verfassung die Zahl der Senatoren
       auf zehn begrenzt. De-facto-Ressortchef aber ist Krach, weil Müller als
       Regierender Bürgermeister zu viele andere Dinge auf dem Schreibtisch hat.
       
       Was nicht heißt, dass Müller nicht im Bilde ist: Als er am Ende einer zähen
       Rederunde für den Senat ans Mikrophon tritt, lässt sich von ihm lernen,
       dass er das Thema für den zentralen Wachstumsmotor in Berlin hält. Wenn die
       in den vergangenen zehn Jahren ohnehin schon auf aktuell 7,7 Prozent fast
       halbierte Arbeitslosenquote noch weiter sinken solle, „dann wird das im
       wesentlichen nur über Wissenschaft und Forschung gehen“, sagt Müller.
       
       Der Regierungschef wendet sich auch gegen am Donnerstag bekannt gewordene
       Kritik des Bundesrechnungshofes am Umgang der Bundesländer mit den
       Hochschulgeldern. Er verweist darauf, dass die Zahl der Studienplätze in
       Berlin seit 2006 bis zum vergangenen Wintersemester um rund 60.000 von
       132.000 auf 191.000 angestiegen sei: „Das ist gut angelegtes Geld.“
       
       Müller sieht Berlin mit seinen elf staatlichen und 30 privaten Hochschulen
       sowie 70 außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf Augenhöhe mit
       London, Paris und Boston – „in dieser Liga spielen wir inzwischen.“ Boston
       ist Sitz der Harvard-Universität und des MIT, Nummer 2 und 5 unter den
       Top-Universitäten der USA.
       
       „Ohne diese Wissenschaftslandschaft wäre Berlin nicht die
       Start-up-Hochburg“, sagt Müller – und das sei durchaus nicht trotz der
       Politik passiert, wie ein Zwischenrufer aus der Opposition behauptete,
       sondern aus Müllers Sicht mit deren kräftiger Unterstützung. Dass die
       Oxford-Universität in Berlin einen Ableger aufbaut, dass zwei weltweit
       führenden Stiftungen hier Niederlassungen eröffnen würden, „das war vor
       wenigen Jahren noch undenkbar“.
       
       9 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
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