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       # taz.de -- Kommentar Siegesfeiern in Moskau: Paranoider Gedenkkult
       
       > Einst Gedenkfeier, heute ideologische Stütze: Präsident Wladimir Putin
       > nutzt den „Tag des Sieges“ zusehends für seine Politik der Isolation.
       
   IMG Bild: Wladimir Putin bei einer Militärparade zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges
       
       Seit Langem ist der Tag des Sieges ein besonderes Ereignis in Russland.
       Begangen wurde er erstmals 1965 – damals aus innenpolitischen Erwägungen.
       Das Fest durchlief seither viele Metamorphosen. In den 60er-Jahren waren
       die Menschen nachdenklich und lebensfroh. Heute gibt es kaum noch
       Kriegsteilnehmer. Unter dem Oberkommandierenden Wladimir Putin wurde aus
       dem Innehalten im persönlichen Gedenken aus Freude und Leid ein völlig
       anderer Tag.
       
       Die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg ist inzwischen zur
       ideologischen Hauptstütze des Kremls geworden. Begleitet von Ablehnung,
       Falsch- und Verlogenheit und der Unterstellung, Andersdenkende seien per se
       Feinde: Jeder wolle dem (reichen) Land ans Zeug flicken. Moskau zelebriert
       Isolation, provoziert Ablehnung und erntet Gegenmaßnahmen. Es führt sich
       auf wie ein Paranoiker, hält sich selbst frei von jeglichen Fehlern. Seit
       Jahrhunderten umgeht die russische Führung die entscheidend Frage: Wo sind
       unsere Verbündeten?
       
       In den 27 Jahren seit Ende der Sowjetunion führte Moskau 19 Jahre lang
       Krieg. Ist es nicht dieser Militarismus, der andere auf Distanz hält? Und
       ist dies nicht auch der Grund, warum Moskau unfähig ist, in anderen Formen
       von Ökonomie, Staat und Gesellschaft zu denken?
       
       Militarismus war auch in Deutschland kein Modernisierungsfaktor. Uniformen
       für Vorschulkinder werden überall im Lande feilgeboten. Eine ganze
       Gesellschaft – auch wenn sie nicht geschlossen mitmacht – kostümiert sich
       als Frontkämpfer. Die toten Frontewiki können noch so laut vor dem
       aufdringlichen Totenkult mahnen. Sie werden nicht gehört, genauso wenig wie
       die alten Sowjets, die seit der atomaren Bewaffnung im Interesse des
       Überlebens – wie in der Kubakrise – gar zum Nachgeben bereit waren. Heute
       steht es anders. Das schwache politische System gelangt an seine Grenzen.
       Es müsste sich öffnen, spielt aber mit der Drohung, die Welt aus den Angeln
       zu heben.
       
       9 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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