# taz.de -- Japanischer Kaiser Akihito: Abstieg vom Chrysanthementhron
> Nach dreißig Jahren dankt Japans Kaiser Akihito ab. Er öffnete das
> Kaisertum, überwand Nationalismus und wurde zum Gewissen der Nation.
IMG Bild: Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko
Tokio taz | Nur zehn Minuten dauert am Dienstag das Ritual der Abdankung,
dann [1][endet die Epoche von Kaiser Akihito]. Sein Regierungsmotto
„Heisei“ – Frieden schaffen – hat der Tenno in 30 Jahren Regentschaft auf
seine ganz eigene Weise verwirklicht: Zusammen mit seiner Frau Michiko
wurde der Monarch zum Tröster der Japaner und zum Gewissen der Nation.
Eine gute Zeit waren die Heisei-Jahre nicht. Das Wirtschaftswunder endete,
soziale Ungleichheit wuchs, Japans Staat verschuldete sich wie kein
anderer. Ein Erdbeben und ein Tsunami töteten Zigtausende. Der
Giftgasanschlag der Sekte Aum und die Atomkatastrophe von Fukushima
erschütterten Japans Selbstvertrauen. 17 Premierminister kamen und gingen.
Aber während dieser Dauerkrise sorgte Akihito für Konstanz und gewann durch
eine Öffnung seiner Institution stark an Profil. „Er hat den früher
undurchdringlichen Bambusvorhang um das Kaiserhaus abgeschafft“, meint
Tenno-Experte Ernst Lokowandt.
Als Akihito im Januar 1989 den Chrysanthementhron bestieg, steckte Japans
Kaisertum in einer Sinnkrise. Sein Vater Hirohito, der Japan in den
Weltkrieg geführt hatte, musste nach der Niederlage seiner Göttlichkeit
entsagen. Japans Nachkriegsverfassung stufte ihn vom absoluten Monarchen
zum „Symbol von Staat und nationaler Einheit“ herab.
Doch erst sein Sohn Akihito setzte die Vorgabe um. Anstatt im Palast still
zu beten, ging er hinaus zu Katastrophenopfern, Behinderten, Leprakranken
und Benachteiligten. In legerer Kleidung kniete sich das Kaiserpaar zu
ihnen nieder, fasste ihre Hände und fand warme Worte. Das schockte
Konservative, aber begeisterte das Volk. Zweimal wandte sich der Tenno über
das Fernsehen direkt an die Nation. „Akihito war ein revolutionärer
Kaiser“, sagt Buchautor Makoto Inoue.
## Akihito galt nicht als linientreu
Auch suchte Akihito Wege, den Angriffskrieg seines Vaters aufzuarbeiten.
Bis heute hadert die konservative Elite mit Japans Schuld am Krieg. Anders
als Premier Shinzo Abe und viele Nationalisten besuchte Akihito nie den
Yasukuni-Schrein, der auch verurteilte Kriegsverbrecher ehrt. Für den Krieg
entschuldigen konnte er sich nicht, weil das Kaisergesetz politische
Aussagen verbietet. Aber bei Besuchen von Kriegsgegnern und Schlachtfeldern
äußerte er „tiefe Reue und Schmerzen“ und betete für alle Kriegsopfer.
Während Premier Abe am 70. Jahrestag des Kriegsendes 2015 nicht einmal von
„Bedauern“ sprach, betonte der Kaiser Japans „tiefe Selbstkritik“. Dies
wurde als Korrektur von Abe empfunden, jedoch blockierte das Hofamt
offenbar Akihitos Wunsch, auch die früheren Kolonien Südkorea und
Mandschurei – im Nordosten Chinas – zu besuchen. Wegen der südkoreanischen
Zwangsprostituierten für die Kaiserarmee und ihren Kriegsverbrechen an
Chinesen war der Politik das Risiko zu hoch.
„Akihito galt nicht als linientreu“, so Historiker Torsten Weber. Auch
gegen die von Abe angestrebte Verfassungsreform weg vom Pazifismus leistete
das Kaiserpaar indirekt Widerstand. Kurz nach Abes Wahl Ende 2012
thematisierte Kaiserin Michiko eine in den 1880er Jahren diskutierte
Verfassung mit den gleichen liberalen Bürgerrechten wie heute. Damit
widersprach sie indirekt dem Argument von Konservativen wie Abe, die
Verfassung von 1947 sei Japan von den US-Besatzern aufgezwungen worden. Ab
2016 verhinderte dann die Vorbereitung des Thronwechsels Abes
Verfassungsreform.
Mit seiner Abdankung hält der Monarch konservative Gegenkräfte davon ab,
ihn unter medizinischen Vorwänden durch einen Regenten ersetzen zu können.
„Durch die Abdankung kann er seine Aktivitäten unangetastet an seinen Sohn
übergeben“, erläutert Hideya Kawanishi von der Universität Nagoya.
Tatsächlich versprach Kronprinz Naruhito im Februar, den Weg seiner Eltern
weiterzuverfolgen – zum Ärger vieler Konservativer, aber zur Genugtuung der
meisten Japaner.
29 Apr 2019
## LINKS
DIR [1] /Neuer-Kaiser-in-Japan/!5582178
## AUTOREN
DIR Martin Fritz
## TAGS
DIR Japan
DIR Shinzo Abe
DIR Kaiser
DIR Mahnmal
DIR Japan
DIR Japan
DIR Japan
DIR Japan
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Konflikt um Berliner Mahnmal: Kein Schlussstrich
Das „Trostfrauen“-Mahnmal in Berlin sollte auf Druck Japans verschwinden.
Doch sexualisierte Kriegsgewalt darf nicht unter den Teppich gekehrt
werden.
DIR Japan bekommt einen neuen Kaiser: Ein Regent, so modern wie nie
Japans neuer Kaiser Naruhito will auf Volksnähe setzen, um populär zu
bleiben. Aber das konservative Hofamt begrenzt seinen Spielraum.
DIR Neuer Kaiser in Japan: Die neue Ära „Reiwa“
Mit Kaiser Naruhito beginnt in Japan ab dem 1. Mai eine neue Zeitrechnung:
Vorbei mit Heisei (Frieden schaffen), Zeit für Reiwa (Glückliche Harmonie).
DIR Kommentar Wahlausgang in Japan: Ein japanischer Populist
Abe erntet die Früchte des von ihm selbst geschürten Klimas der Angst. Dank
Nordkoreas Aggression wird er wohl auch bald wieder Krieg führen können.
DIR Thronfolge in Japan: Wenn die Kaiserfamilie schrumpft
Kaiser Akihito versucht erneut, eine Debatte über eine weibliche Thronfolge
auszulösen. Die rechte Regierung von Premier Abe will davon nichts wissen.