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       # taz.de -- Pakistan scheitert mit Impfkampagne: Tödlicher Kampf gegen Polio
       
       > Islamisten in Pakistan ist es gelungen, die Impfkampagne der Regierung zu
       > vereiteln. Seit Tagen gibt es Angriffe auf ImpfhelferInnen und
       > PolizistInnen.
       
   IMG Bild: Mit wenigen Tropfen wie hier in Karatschi lassen sich Kinder gegen Polio immunisieren
       
       BERLIN taz | Neben Afghanistan und Nigeria ist Pakistan eines der letzten
       drei Länder weltweit [1][mit einem Polio-Problem]. Dabei ist es der
       Regierung in Islamabad zusammen mit internationalen und lokalen
       Organisationen bereits gelungen, die Verbreitung des ansteckenden Virus der
       Kinderlähmung von 306 Fällen im Jahr 2012 auf 12 Fälle im Jahr 2018 zu
       reduzieren. In diesem Jahr sollte das südasiatische Land dann nach einer
       weiteren landesweiten Impfkampagne endlich für poliofrei erklärt werden
       können. Doch dies ist gescheitert.
       
       Denn von den rund 39 Millionen pakistanischen Kindern im Alter von bis zu
       fünf Jahren konnten bis vergangene Woche nur gut 37 Millionen geimpft
       werden. In einigen Regionen vor allem im Nordwesten des Lands mussten die
       von Polizisten geschützten Impfhelfer aus Sicherheitsgründen die
       Schluckimpfungskampagne abbrechen. Nach neuesten Angabe wurden bereits in
       den ersten vier Monaten des Jahres acht neue Polio-Fälle gemeldet.
       
       Anfang vergangener Woche hatte in Peschawar eine Gerüchtewelle begonnen.
       Auf Facebook zirkulierten „Berichte“ über angebliche akut ausgebrochene
       Krankheiten von Kindern nach deren Impfung. Als Folge belagerten in Panik
       versetzte Eltern von 25.000 geimpften Kindern mit ihrem Nachwuchs die
       Krankenhäuser und Gesundheitsstationen in der Region. In einem Fall setzte
       ein wütender Mob dann ein Gesundheitszentrum in Brand.
       
       Es folgten Anschläge auf Polizisten, die die Impfteams begleiteten, wie
       auch auf ImpfhelferInnen selbst. So wurden vergangene Woche zwei Polizisten
       und eine Impfhelferin getötet und zahlreiche weitere verletzt. Die Täter
       konnten meist fliehen. Seit 2012 wurden pakistanischen Medienberichten
       zufolge landesweit insgesamt 95 Personen – Polizisten wie Impfhelferinnen –
       ermordet.
       
       ## Islamisten wettern gegen Impfungen
       
       Ursprünglich war schon für 2012 gehofft worden, das Polio-Virus in Pakistan
       ausrotten zu können. Doch dann begann die Mordserie gegen Impfteams und
       ihre Beschützer, nachdem bekannt wurde, dass zum Auffinden und
       Identifizieren des gesuchten al-Qaida-Führers Osama bin Laden die
       US-Geheimdienste im Vorjahr mithilfe eines pakistanischen Arztes eine
       gefakte Hepatitis-Impfkampagne im Raum Abbottabad gestartet hatten.
       
       So sollte der Gesuchte genetisch identifiziert werden. Ob dies letztlich
       zur Tötung bin Ladens am 2. Mai 2011 in Abbottabad beigetragen hat, ist
       unklar. Der pakistanische Arzt, der den USA geholfen hatte, wurde wegen
       Landesverrats zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.
       
       Islamisten wettern seitdem gegen Impfungen, Impfhelfer werden als Spione
       gebrandmarkt, Impfungen als unislamisch dargestellt und Gerüchte gestreut,
       dass Kindern westliche Werte eingeimpft oder Impfungen steril machen
       würden. Um den Druck zu erhöhen, wurden Impfteams und ihre Beschützer
       fortan bedroht und ermordet.
       
       Seitdem gelang es in mühsamer Aufklärungsarbeit auch mithilfe von Imamen,
       verunsicherte Eltern von der Notwendigkeit von Impfungen zu überzeugen. So
       lautete ein Argument, dass eine Pilgerfahrt nach Mekka von den saudischen
       Behörden nur gegen Nachweis einer Polio-Impfung erlaubt werde. Oder dass in
       Afghanistan die dortigen Taliban wegen Impfkampagnen sogar kurzzeitige
       Waffenstillstände ausrufen würden, also gar nichts gegen Polio-Impfungen
       hätten.
       
       ## Regierung räumt Scheitern ein
       
       Pakistans Regierung wehrt sich jetzt gegen einheimische Medienberichte, die
       jetzige Impfkampagne sei suspendiert worden. Sie sei doch ohnehin nur für
       fünf Tage geplant gewesen, twitterte Babar bin Atta, der Polio-Berater von
       Premierminister Imran Khan.
       
       Doch räumte bin Atta auch ein, dass die anvisierte Immunisierungsrate von
       95 Prozent nicht erreicht werden konnte. Dies habe an der Propaganda der
       Impfgegner und an der Gewalt gegen die Impfteams gelegen. Ob und wann es
       eine weitere Kampagne gebe, ist laut Atta noch unklar.
       
       1 May 2019
       
       ## LINKS
       
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   DIR Sven Hansen
       
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