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       # taz.de -- Piratenpartei bei der Europawahl: Wählt Piraten, aber nicht zu viele
       
       > Die Piratenpartei krebst nur noch herum. Doch ihr deutscher
       > Spitzenkandidat, Patrick Breyer, wird wohl ein Mandat bekommen.
       
   IMG Bild: Befinden sich die Piraten auf einem sinkenden Schiff?
       
       Die Umfragewerte der Piraten sind nicht gerade gut, aber sie reichen für
       Patrick Breyer. Der hyperaktive Bürgerrechtler ist Spitzenkandidat bei der
       Europawahl, bei der die Fünfprozenthürde nicht gilt.
       
       Bei 1,0 Prozent sieht das Institut Insa die Piraten derzeit. Für ein Mandat
       wären 0,6 Prozent erforderlich, umgerechnet rund 180.000 Stimmen. Zuletzt
       profitierten die Piraten [1][vom Streit um die EU-Urheberrechtsreform]. Den
       Widerstand gegen Uploadfilter bei Facebook und YouTube führte Julia Reda
       an, die bisherige Europa-Abgeordnete der Piraten.
       
       Patrick Breyer war von 2012 bis 2017 Piraten-Abgeordneter im Kieler
       Landtag, lange Zeit sogar als Fraktionsvorsitzender. Der Asket Breyer
       provozierte die anderen Parteien, indem er auf Dienstwagen und Fahrer
       verzichtete, seine Funktionszulagen spendete und die meisten Anträge aller
       Abgeordneten stellte.
       
       Bundesweit bekannt wurde Breyer als Bürgerrechtler. Er war Sprecher und
       juristischer Vordenker des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK
       Vorrat), der 2010 mit einer Massenverfassungsklage die erste
       Vorratsdatenspeicherung zu Fall brachte. Seitdem hat Breyer im eigenen
       Namen ungezählte weitere Klagen eingereicht, etwa gegen die Identifikation
       der Inhaber von Prepaid-Handys. „Ich bin strikt gegen anlasslose
       Massenüberwachung“, sagt Breyer, der von Beruf Richter ist.
       
       Im Europäischen Parlament (EP) hätte Breyer einiges zu tun. Denn viele
       Überwachungsmaßnahmen werden auf EU-Ebene beschlossen, etwa die Speicherung
       und Auswertung aller Fluggastdaten. Breyers Chance kam, als Julia Reda
       ankündigte, sie wolle in den USA promovieren und deshalb nicht erneut für
       das Europaparlament antreten.
       
       Und noch eine Lücke könnte der heute 42-jährige Breyer schließen: Der
       bisher wichtigste Bürgerrechtler im EP, der Grüne Jan-Philipp Albrecht,
       wurde 2018 Umwelt- und Agrarminister in Schleswig-Holstein. Albrecht hatte
       die Datenschutz-Grundverordnung durchgesetzt.
       
       ## Eine schwierige Wahlwerbung
       
       Das größte Problem von Breyer heißt Gilles Bordelais. Der ehemalige
       Büroleiter von Julia Reda steht auf Platz zwei der Piratenliste zur
       Europawahl. Erst nach der Nominierung im Sommer 2018 wurde bekannt, dass
       Bordelais [2][EP-Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben soll]. Die
       Piratenpartei wartete zunächst eine Untersuchung des Parlaments ab.
       
       Doch als sich die Vorwürfe erhärteten, war es nach Darstellung der Piraten
       zu spät, Bordelais von der Liste zu streichen oder eine neue Liste
       aufzustellen. Julia Reda fand, ihre Partei agiere zu passiv, und trat aus.
       Sie warnt nun sogar davor, die Piraten zu wählen.
       
       Patrick Breyer verweist auch in dieser Angelegenheit auf die Umfragen:
       „Bordelais wird kein Mandat bekommen. Ein Prozent der Stimmen reicht nur zu
       einem einzigen Sitz im Parlament.“ Eine schwierige Wahlwerbung ist das:
       Wählt die Piraten – aber nicht zu viele.
       
       Breyer wird, wenn er ein Mandat erhält, in Brüssel dennoch nicht allein
       bleiben. Aus Tschechien werden vier bis fünf weitere Abgeordnete erwartet.
       Dort sind die Piraten derzeit die zweitstärkste Partei. In Prag stellen sie
       sogar den Oberbürgermeister. Welcher Fraktion sich die Piraten dann
       anschließen, ist noch offen. Julia Reda war Teil der Grünen-Fraktion.
       
       Die deutschen Piraten hatten ihre Hoch-Zeit in den Jahren 2011 und 2012,
       als sie in die Landtage von Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen
       und im Saarland einzogen. Interne Streitereien und eine chaotische
       Außendarstellung [3][führten aber bald zum Einbruch ihrer Popularität].
       Inzwischen sank die Zahl der Mitglieder vom Maximum von 35.000 in ihrer
       großen Zeit auf nur noch 3.760 Zahlende.
       
       Patrick Breyer aber blieb. Nicht nur wegen der Chance, Europaabgeordneter
       zu werden. „Ich bin auch in fünf Jahren noch Pirat“, verspricht er. „Mich
       will sonst eh keiner“, sagt Breyer und spielt darauf an, dass er selbst
       unter Datenschützern als Fundamentalist gilt.
       
       Und wenn es nicht klappt mit der Wahl? „Dann gehe ich zurück ans
       Landgericht Kiel.“ Dort sitzt Breyer in einer Kammer für Zivilsachen, die
       sich unter anderem mit Bankrecht beschäftigt. Für den Europawahlkampf ist
       er zwei Monate beurlaubt. „Unbezahlt“, wie er sofort hinzufügt.
       
       15 May 2019
       
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