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       # taz.de -- Wirtschaftslobby gegen CDU: High Noon im Ministerium
       
       > Ein offener Krach zwischen der CDU und den Wirtschaftsverbänden ist
       > selten. Doch nun attackieren die Bosse Minister Peter Altmaier harsch.
       
   IMG Bild: Im Visier der Lobbyisten: Wirtschaftsminister Peter Altmaier
       
       Berlin taz | Der Montag war nicht leicht für Peter Altmaier. Der
       Bundeswirtschaftsminister hatte zu einer großen Konferenz geladen, um über
       seine Vorschläge zur Industriestrategie zu diskutieren. 51 Männer und eine
       Frau saßen in seinem Ministerium im Rechteck am Tisch und trugen die Thesen
       vor, die ihnen ihre Interessengruppen mitgegeben hatten – und blieben fast
       alle auf Konfrontationskurs zu Altmaier.
       
       Der Christdemokrat hatte zum „Kongress zur Nationalen Industriestrategie
       2030“ eingeladen, weil ihn Wirtschaftsverbände wegen seiner Ideen heftig
       angreifen. Der Minister hatte im Februar ein Thesenpapier zur
       Industriepolitik vorgelegt.
       
       Darin fordert er die Schaffung neuer Möglichkeiten für die Regierung, in
       das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Ihm geht es darum, China besser
       Paroli bieten zu können. Er will etwa den Ausverkauf von Schlüsselfirmen
       nach Fernost verhindern und die Schaffung von europäischen Großunternehmen
       fördern.
       
       Praktisch alle Wirtschaftsverbände lehnten das ab. Statt
       Regierungseingriffen sei mehr Marktwirtschaft gefragt, sagte Dieter Kempf,
       Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Altmaiers Strategie
       konzentriere sich zu sehr auf die Schaffung europäischer Großunternehmen.
       
       ## Altmaier schrecke ausländische Investoren ab
       
       „Die Politik muss die ganze Industrie im Fokus haben und darf den
       Mittelstand nicht aus den Augen verlieren“, sagt Kempf, einer der
       wichtigsten deutschen Wirtschaftslobbyisten. Er warf Altmaier vor,
       ausländische Investoren abzuschrecken, wenn der Staat Übernahmen künftig
       verhindere. Außerdem sei es ineffizient, unter der Regie der Regierung
       künstlich Großkonzerne zu schaffen.
       
       Reinhold von Eben-Worlée vom Verband der Familienunternehmer nannte
       Altmaier gar eine „Fehlbesetzung“ und unterstellte ihm einen Schwenk zum
       Sozialismus. Der Handelsverband BGA warf Altmaier vor, den
       Dienstleistungssektor zu vernachlässigen und den globalen Warenaustausch
       durch mehr Protektionismus zu gefährden. „Vor dem Hintergrund einer
       traditionell zurückhaltenden Wirtschaftspolitik in Deutschland muss ich vor
       diesen Maßnahmen warnen“, sagte BDA-Präsident Holger Bingmann. „Es gibt
       keinen Grund für die aktuelle China-Phobie.“
       
       Altmaier selbst zeigt sich am Montag erstaunt, wie heftig die Kritik
       ausfiel. „Wer einen Stein ins Wasser wirft, darf sich zwar nicht wundern,
       wenn er Wellen schlägt“, sagte er. „Aber dieser Stein hat mehr Wellen
       geschlagen als erwartet.“ Der CDU-Politiker fühlt sich missverstanden: Er
       habe nicht die Familienunternehmen benachteiligen wollen, sondern er wolle
       umgekehrt etwas für den Standort Deutschland tun.
       
       Der Gescholtene verteidigte seinen Vorstoß als „ersten Aufschlag, um eine
       Debatte auszulösen“. Er verwies darauf, dass die Konferenz im
       Ludwig-Erhard-Saal des Ministeriums stattfand. Die Regierung bewege sich
       fest auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft und wolle das bewährte
       Modell der Bundesrepublik nicht aufgeben. Doch es sei Eile geboten, um auf
       die aggressive Wirtschaftspolitik Chinas zu reagieren.
       
       Zumindest die Arbeitnehmervertreter stehen dem CDU-Minister zur Seite.
       IG-Metall-Chef Hofmann klang fast, als habe Altmaier ihn zu seiner
       Unterstützung angeheuert. „Marktwirtschaftlicher Dogmatismus“ nütze nichts,
       während gezielte Eingriffe des Staates der Wirtschaft gewaltig helfen
       könnten, so Hofmann.
       
       Zusammenschlüsse von Firmen hätten durchaus Sinn, um Wettbewerbsfähigkeit
       zu erhalten. Dass solche Fusionen oft auch Jobs kosten, ignorierte der
       Gewerkschafter diesmal. „Was wir nicht brauchen, ist eine Debatte, in der
       jeder seinen Wunschzettel aus der Mottenkiste holt“, warnte Hofmann.
       
       6 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Finn Mayer-Kuckuk
       
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