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       # taz.de -- Kampf gegen Raser: Für mehr Luft unterm Gaspedal
       
       > 184 Verfahren wegen illegaler Raserei gibt es 2019 bereits in Berlin.
       > Autoraser zu bekämpfen ist erklärtes Ziel von Justizsenator Dirk
       > Behrendt.
       
   IMG Bild: Wenn Raserei tödlich endet: Szene nach dem Unfall auf dem Ku'damm im Februar 2016
       
       Rasen ist out. Zumindest scheint der gesellschaftliche Konsens sich dahin
       gehend zu entwickeln, dass massive Tempoüberschreitungen bestraft gehören.
       Das harte Urteil über die beiden Ku’damm-Raser von 2016 – „lebenslänglich“
       wegen Mordes – steht dafür genauso wie der Ende 2017 in Kraft getretene
       Paragraf 315d StGB, der die Sanktionen für Teilnehmer an illegalen
       Autorennen drastisch verschärft. Zuletzt strich sogar Radio Eins vom RBB
       die guten, alten „Blitzermeldungen“, weil „eine der Hauptunfallursachen nun
       mal Raserei“ sei.
       
       Zu den Rasern (es sind tatsächlich fast immer Männer) ist das noch nicht
       richtig durchgedrungen. Weshalb Berlins Justiz weiterhin alle Hände voll zu
       tun hat. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und sein Oberamtsanwalt
       Andreas Winkelmann luden am Mittwoch die Presse ein, um zu zeigen, dass sie
       nicht lockerlassen im Kampf gegen die Nutzung von Autos als Duellierwaffen
       oder von Straßen als Beschleunigungsteststrecken.
       
       Es sei ihm wichtig, hervorzuheben, so Behrendt, „was für ein gefährliches
       Tun es ist, wenn Menschen rasen und andere Verkehrsteilnehmer erheblich in
       Gefahr bringen. Wir werden nicht nachlassen, das zu bekämpfen.“ Er gab sich
       zuversichtlich, dass mit der neuen Rechtslage auch die Zahl der
       eingezogenen Pkws steige. Berlin sei aber jetzt schon „deutschlandweit
       führend“ im Gebrauch dieser Möglichkeit. Für viele Raser ist der – wenn
       auch nur temporäre – Verlust des Fahrzeugs offenbar eine empfindlichere
       Sanktion als eine Geldstrafe.
       
       Laut Andreas Winkelmann wurden seit Einführung des Paragrafen 315d gut 600
       Verfahren eingeleitet, 184 davon allein im laufenden Jahr. Anklage erhoben
       wurde bislang in 199 Verfahren, das für Verkehrsdelikte zuständige
       Amtsgericht Tiergarten befasse sich in zwei bis drei Hauptverhandlungen pro
       Woche mit solchen Fällen. Bei den bisherigen Verurteilungen in den, wie der
       Oberamtsanwalt betonte, „zeit- und arbeitsaufwendigen“ Verfahren sei es
       62-mal zu teils empfindlichen Geldstrafen gekommen, in acht Fällen wurden
       Freiheitsstrafen von sechs bis zwölf Monaten auf Bewährung verhängt.
       
       ## Tücken der Beweisführung
       
       Mit vielen technischen Details und anhand von Videos erklärte Winkelmann
       die Tücken der Beweisführung. Denn dass illegale Rennfahrer ganz einfach in
       eine Radarfalle tappen, kommt selten vor. Zeugenaussagen spielten nach wie
       vor eine wichtige Rolle, seien aber oft problembehaftet: So schlössen viele
       aus dem [1][lauten Röhren hochgezüchteter Motoren], dass das entsprechende
       Auto sehr schnell fahre – was nicht der Fall sein müsse.
       
       Viel werde schon mit Daten gearbeitet, die von modernen Autos erhoben
       würden, etwa mit dem in den USA vorgeschriebenen EDR-System, das Tempo
       sowie Aktionen am Gas- und Bremspedal kurz vor Aktivierung eines Airbags
       dokumentiert. Andere Pkws zeichneten GPS-Daten mit Zeitstempel auf. Daraus
       könne man errechnen, wie schnell der Fahrer zwischen zwei Orten gefahren
       sein muss. „Ein Segen für die Aufklärung“, findet Winkelmann.
       
       Wie immer bei neuen Paragrafen ist es Sache der Gerichte, diese zu
       interpretieren. Hier ist die Rechtsprechung der Berliner Justiz
       wirklichkeitsnäher als die in anderen Bundesländern: Laut Andreas
       Winkelmann hat etwa das Landgericht Stade § 315d so ausgelegt, dass nur
       rase, wer sein Auto an dessen „technische und pyhsikalische
       Leistungsgrenze“ bringe – aber „beweisen Sie mal, dass nicht doch noch ein
       Zentimeter Luft unter dem Gaspedal war“. Das Berliner Landgericht entschied
       dagegen, es gehe um ein „situationsbedingtes Geschwindigkeitsmaximum“.
       
       15 May 2019
       
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