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       # taz.de -- Entzug der Gemeinnützigkeit: „Vetternwirtschaft“ im Attac-Prozess?
       
       > Führende Vertreter der beiden zentralen Institutionen im Verfahren um
       > Attac sitzen im Vorstand eines Vereins. Dessen Ziele stehen konträr zu
       > Attac.
       
   IMG Bild: Attac kämpft für höhere Steuern – die Gegner wollen das Gegenteil
       
       BERLIN taz | Für Außenstehende war es eine ziemliche Überraschung, als der
       Bundesfinanzhof (BFH) im Februar bekanntgab, dass das
       globalisierungskritische Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit verliert.
       Schließlich hatte das Hessische Finanzgericht zuvor die bisher geltende
       Sichtweise bestätigt, dass auch politische Bildungsarbeit gemeinnützig ist.
       
       Für das Bundesfinanzministerium, das den Entzug der Gemeinnützigkeit
       gefordert hatte, war die Entscheidung dagegen vermutlich weniger
       überraschend. Denn Rolf Möhlenbrock, der für das Finanzressort die
       Stellungnahme zum Attac-Verfahren verfasst hatte, und BFH-Präsident Rudolf
       Mellinghoff sind gute Bekannte. Wie am Mittwoch das ARD-Magazin Plusminus
       berichtete, sitzen sie gemeinsam im Vorstand vom „Institut Finanzen und
       Steuern“. Mellinghoff war an der Attac-Verhandlung nicht selbst beteiligt,
       hatte das Urteil aber gegenüber der Presse persönlich bekannt gemacht und
       kommentiert.
       
       Zusätzliche Brisanz erhält diese Verbindung durch die inhaltliche
       Ausrichtung dieser Einrichtung: Das „Institut Finanzen und Steuern“ ist ein
       (übrigens gemeinnütziger) Verein, der eine klare Agenda verfolgt, nämlich
       die Senkung von Steuern. Im Vorstand sitzen neben Mellinghoff und
       Möhlenbrock ausschließlich Vertreter des Bundesverbands der Deutschen
       Industrie, des Industrie- und Handelskammertags und des Verbands der
       Chemischen Industrie; Vorsitzende ist die Kölner Finanzjuristin Johanna
       Hey, die zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins der neoliberalen
       „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ gehört. In der Einladung zur
       Jahrestagung im Juni unter dem Motto „Steuerstandort Deutschland –
       Reformbedarf und Handlungsopotionen“ beklagt das Institut, Deutschland
       drohe „international zum Hochsteuerland zu werden“ und schlägt eine
       „Senkung der Unternehmenssteuersätze“ vor.
       
       Nach Ansicht von Attac wirken damit zwei mit der Aberkennung der
       Gemeinnützigkeit befasste Personen in einem Verein mit, der genau das
       gegensätzliche Ziel verfolgt wie Attac – das Netzwerk hat unter anderem
       Kampagnen gegen zu niedrige Unternehmenssteuern organisiert. „Das riecht
       nach Vetternwirtschaft“, meint Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann.
       Der Vorgang bestärke den Eindruck, dass der Bundesfinanzhof ein „politisch
       motiviertes Urteil“ gefällt habe, sagte sie der taz. Mellinghoff weist das
       zurück. Er betont, dass es ihm als BFH-Präsidenten strikt verboten ist,
       Einfluss auf Entscheidungen seiner Richterkollegen zu nehmen, wenn er nicht
       selbst dem Spruchkörper angehört. Das Bundesfinanzministerium wollte den
       Vorgang auf Anfrage nicht kommentieren.
       
       UPDATE 17.05., 12:00: Dieser Artikel wurde aktualisiert.
       
       16 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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