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       # taz.de -- Endlich im Abstiegskampf
       
       > Der um den Klassenerhalt bangende Regionalligist SV Straelen vertraut
       > Inka Grings. Nun ist sie die höchstklassige Trainerin im Männerfußball
       
   IMG Bild: „Ich werde hier in der kurzen Zeit keinen Halleluja-Fußball hinbekommen.“ Inka Grings bei der Arbeit
       
       Aus Straelen Andreas Morbach
       
       Es gibt diesen Tag in der Kindheit von Inka Grings, an dem für das
       fußballverrückte Mädchen aus einer Düsseldorfer Arbeiterfamilie
       vorübergehend eine Welt zusammenbrach. Sechs Jahre lang hatte sie in den
       Jugendmannschaften des TSV Eller 04 gespielt, als einziges Mädchen, das bei
       den Jungs mitkicken durfte.
       
       Doch kurz vor ihrem zwölften Geburtstag war damit Schluss. „Bis zu dem
       Zeitpunkt wusste ich nur, dass es Frauenfußball gibt“, sagt Grings und
       erzählt: „Ich weiß noch, dass ich Rotz und Wasser geheult habe, als ich zu
       den Mädchen wechseln musste.“
       
       29 Jahre später sitzt die frühere Stürmerin vor dem Vereinsheim des SV
       Straelen im Halbschatten und streckt die Beine aus. Laufend bringen Mütter
       hier ihre Jungs zum Nachmittagstraining. Links und rechts des
       Vereinsgeländes stehen Einfamilienhäuser, vor denen Wohnmobile dicht
       geparkt sind. Und hier, wo Grings sitzt, tuckert ein Traktor neben den drei
       gepflegten Rasenplätzen.
       
       Gerade haben zwei junge Männer vorsichtig um die Ecke geschaut – Spieler
       des Regionalligateams, das drei Tage zuvor bei der Reserve von Borussia
       Dortmund 2:9 unter die Räder gekommen ist. Deshalb gibt es noch vor dem
       Abendtraining Einzelgespräche und eine Mannschaftssitzung. Mit Trainerin
       Grings, die Anfang April den Job in dem beschaulichen Städtchen am
       Niederrhein, direkt an der niederländischen Grenze, übernommen hat – als
       erste Frau in Deutschland, die ein Männerteam der obersten vier Ligen
       coacht.
       
       Es könnte allerdings ein sehr kurzes Intermezzo werden für die 96fache
       Nationalspielerin, zweimalige Europameisterin und Rekordtorschützin der
       Frauenfußball-Bundesliga (314 Treffer). In fünf Spielen mit dem SVS holte
       sie vier Punkte, aus drei Zählern Vorsprung auf einen Abstiegsplatz ist
       seit ihrem Amtsantritt ein Punkt Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz
       geworden. Zudem kommt am Samstag Spitzenreiter Viktoria Köln, der vor dem
       Aufstieg in die Dritte Liga steht. „Das kommt sicherlich erschwerend
       hinzu“, räumt Grings ein. Ihre bislang eher mäßige Bilanz kommentiert sie
       so: „Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich hier in der kurzen Zeit keinen
       Hallelujafußball hinbekommen werde.“
       
       Selbst wenn sie gegen Viktoria Köln und danach bei den zuletzt dreimal
       siegreichen Wattenscheidern (seit Mitte März mit dem Sportlichen Leiter
       Peter Neururer) siegen, müssen die Straelener hoffen, dass Hauptkonkurrent
       Bonn in seinen letzten zwei Partien Punkte lässt.
       
       Es gibt angenehmere Umstände – auch für Grings, deren Vertrag bis zum
       Saisonende läuft und die für den Fall eines Abstiegs in die Oberliga klipp
       und klar sagt: „Ich will im Leistungsbereich arbeiten, nichts anderes.
       Werden die Voraussetzungen so geschaffen, wie ich mir das vorstelle,
       schließe ich eine Fortsetzung meines Engagements hier nicht aus.“
       
       Denn im Männerbereich zu arbeiten, das liegt der 40-Jährigen am Herzen.
       „Ich hatte immer mit Jungs zu tun, schon in meiner Kindheit. Für mich ist
       das normal. Ich war früher wahrscheinlich selber ein kleiner Junge“, lacht
       sie und fügt ernst hinzu: „Ich mag Männerfußball, weil er athletischer und
       temporeicher ist und man dort vielleicht noch mal einen Tick mehr rausholen
       kann.“
       
       Zum Einstieg in den Trainerinnenberuf betreute sie drei Jahre lang die
       Frauen des MSV Duisburg, ehe sie 2017 die B-Jugend von Viktoria Köln
       übernahm. „Ab einem gewissen Punkt war es für mich im männlichen Junioren-
       und Seniorenbereich einfach interessanter. Vielleicht auch weil ich mit den
       Herrschaften immer gut klarkam und klarkomme“, betont Grings, die mit
       Duisburgs Fußballerinnen die Rückkehr in die Bundesliga schaffte, aber mit
       Viktorias U17 aus der Bundesliga West abstieg.
       
       Ihr Vertrag in Köln galt nur für die Bundesliga. Nun kommt es für sie zum
       Wiedersehen mit ihrem vorherigen Verein. „Zwischen Straelen und Viktoria
       liegt mehr als eine Welt. Das ist wirklich David gegen Goliath“, sagt
       Grings über die finanziell exzellent aufgestellte Viktoria.
       
       Sie trifft auch Franz Wunderlich wieder, den Sportlichen Leiter von
       Viktoria. „Gerade mit ihm hatte ich einen enorm fairen und offenen
       Austausch“, sagt sie. Wunderlich erwähnte kürzlich, wie positiv überrascht
       der Klub von Grings’ Arbeit mit den Kölner B-Jugendlichen gewesen sei,
       fügte aber hinzu, dass der Seniorenbereich eine andere Geschichte sei und
       er sich den Straelener Weg für Viktoria nicht vorstellen könne.
       
       „Franz Wunderlich ist einer, der die Dinge ausspricht, die andere
       vielleicht auch so sehen. Er ist so, wie er ist: ehrlich und offen – aus
       seiner Sicht. Das wusste ich immer zu schätzen. Auf der anderen Seite ist
       das eben eine grundsätzliche Problematik in unserer Gesellschaft“,
       kommentiert Inka Grings die Gedanken ihres Ex-Chefs. Und sagt dann:
       „Deshalb will ich mich zu diesem Menschen, auf dieses Thema bezogen auch
       nicht weiter äußern.“
       
       11 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Morbach
       
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