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       # taz.de -- Kommentar zur SPD-Grundrente: Richtige Idee, falscher Zeitpunkt
       
       > Der Entwurf von Hubertus Heil für eine Grundrente ist gut und richtig. Im
       > Grundsatz. Es gibt da allerdings ein paar Ungereimtheiten.
       
   IMG Bild: Schön wär's, wenn Frauen auch im Alter noch was zu gucken hätten
       
       Derzeit lebt ein Fünftel der RentnerInnen von weniger als tausend Euro. Das
       Risiko im Alter zu verarmen, wird steigen. Das Rentenniveau ist ja seit
       fast zwanzig Jahren gezielt abgesenkt worden und zudem arbeiten, vor allem
       im Osten, Millionen in mies bezahlten Jobs und haben daher wenig Aussicht
       auf eine Rente über der Grundsicherung.
       
       Deshalb ist die Grundrente, die die SPD offenbar auf Biegen und Brechen
       will, richtig, ja notwendig. Sie soll dafür sorgen, dass, wer 35 Jahre
       gearbeitet, aber sehr wenig verdient hat, ein wenig mehr bekommt. Drei
       Millionen sollen somit etwas mehr Rente erhalten – vier Fünftel davon
       Frauen. [1][Das leuchtet ad hoc ein]. Denn es ist gerecht, dass [2][wer
       gearbeitet hat, mehr Rente bekommen soll] als jene, die nie Rentenbeiträge
       gezahlt haben. Arbeitsminister Hubertus Heil, der lange wie ein Inbegriff
       eines stets anpassungsfähigen, wetterwendigen Karrieristen wirkte, verfolgt
       dieses Projekt mit erstaunlicher Hartnäckigkeit und unbeirrt von
       mannigfachen Anfeindungen und Schwierigkeiten.
       
       Also hier die SPD, [3][die tapfer für Gerechtigkeit kämpft], dort die
       Union, die sich taub stellt und die Grundrente als „sozialpolitischen
       Offenbarungseid“ diffamiert? Es ist etwas komplizierter. Es gibt in Heils
       Entwurf, so richtig er im Grundsatz ist, ein paar Ungereimtheiten. Die
       Finanzierung ist „pi mal Daumen“ gerechnet. Und: Warum profitiert nur, wer
       wenigstens 35 Jahren gearbeitet hat (inklusive anrechenbarer
       Kindererziehungszeiten), warum geht, wer nur 34 Jahre auf dem Konto hat,
       völlig leer aus?
       
       Gerade in der digitalen Ökonomie werden die Arbeitsbiographien noch mehr
       ausfransen und die Abweichungen von der Norm zur neuen Norm werden. Mit der
       starren Fixierung auf 35 Jahre entsteht eine Unwucht, die sich durch eine
       flexible Lösung leicht vermeiden ließe.
       
       ## Bedenklich am Unseriösen entlangeschliddert
       
       Ein anderer heikler Punkt ist – auch wer erbt oder reich geheiratet hat,
       wird mit der zarten Rentenaufstockung beglückt. Das ist nicht gerecht. Der
       lässige Hinweis der SPD, Vermögende, die die Grundrente bekommen, müssten
       ja auch mehr Steuern zahlen, streift bedenklich das Unseriöse. Praktisch
       aber hat Heil Recht. Wer die Grundrente will, muss diese Unwucht in Kauf
       nehmen. Denn um die übersichtliche Zahl unverdienter Grundrenten-Profiteure
       herauszufiltern, müsste man maßlosen bürokratischen Aufwand betreiben.
       
       Bedenklich ist schließlich das Timing des Gesetzentwurfes direkt vor der
       Wahl in der EU und in Bremen. Damit erweckt die SPD den Eindruck, auf
       billige Effekte zu zielen. Das ist falsch kalkuliert. Schon der Verdacht,
       Wahlkampfmanöver zu inszenieren, wirkt heutzutage schnell toxisch.
       
       Kurzum: Die Grundrente ist nicht perfekt, aber längst nicht so übel wie sie
       die Union derzeit beredet.
       
       22 May 2019
       
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