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       # taz.de -- Windräder-Lärm im Norden: Schall und Streit
       
       > Die meisten Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein genügen den
       > Lärmschutz-Vorschriften. Aber die Messmethode wird kritisiert.
       
   IMG Bild: Laut oder nicht? Windräder, hier bei Friedrichskoog in Schleswig-Holstein
       
       Hamburg taz | Die Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein halten in den
       allermeisten Fällen die geltenden Lärmschutzvorgaben ein. Das hat die
       Überwachung von knapp 2.600 Windrädern im Land ergeben. Aber sowohl der
       Bundesverband Windenergie (BWE) als auch der Verband Vernunftkraft, in dem
       sich die Windenergiegegner organisiert haben, kritisieren die
       Untersuchungsmethode. „Die rechnen sich das schön“, sagt Susanne Kirchhof
       von Vernunftkraft. Der BWE spricht von einem „unverhältnismäßigen
       Eingriff“.
       
       Die Überprüfung aller bestehenden Windenergieanlagen im Land war notwendig
       geworden, weil die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz
       (LAI) 2017 ihre Berechnungsmethode für den Schallschutz verschärft hat.
       Also ließ das Land nach der neuen Methode untersuchen, ob Wohnhäuser und
       Siedlungen dem Lärm von Windrädern zu sehr ausgesetzt sind.
       
       Rund 3.000 Windkraftanlagen gibt es im Land. Knapp 2.600 davon, deren Lärm
       auf 1.800 Immissionsorte abstrahlt, wurden bisher untersucht. An 121
       Immissonsorten war es lauter als erlaubt. „Das Argument, dass der Ausbau
       der Windenergie mit dem Lärmschutz unvereinbar ist, ist falsch“, folgert
       Umwelt-Staatssekretär Tobias Goldschmidt. „Wir können das Klima schützen
       und gleichzeitig Lärmschutz auf hohem Niveau gewährleisten.“
       
       Dem sei mitnichten so, kontert Kirchhof von Vernunftkraft. Denn das
       Energiewende-Ministerium (Melund) habe die Verschärfungen der LAI zum Teil
       wieder zurückgenommen, indem es Mess-Abschläge vom Lärm zugunsten der
       Anlagenbetreiber berücksichtigte. „Die haben lange überlegt, was sie tun
       können, damit die Betreiber keine Einschränkungen haben“, spekuliert
       Kirchhof.
       
       Im Zentrum des Streits steht der Unterschied zwischen Emissionen, die
       direkt an der Anlage entstehen und Immissionen, also dem Lärm, der bei den
       Wohnhäusern ankommt. Das Landesamt für ländliche Räume hat direkt an den
       Anlagen gemessen und dann berechnet, wie viel Schall bei dem am stärksten
       betroffenen Wohnhaus ankommt. Die Messung an der Windkraftanlage sei
       sicherer, weil dort weniger Störgeräusche aufträten als in einer
       Wohnsiedlung, in der Autos fahren und Rasen gemäht wird, sagt Joschka
       Touré, Sprecher des Umweltministeriums.
       
       Von dem errechneten Wert zog das Amt als Fehlertoleranz drei Dezibel ab.
       „Wir müssen als Behörde rechtssicher belegen können, dass die
       Windkraftanlage den Lärm produziert“, sagt Touré. Denn wenn das
       Prüfungsergebnis den zulässigen Grenzwert übersteigt, müssen die
       Anlagenbetreiber handeln, etwa indem sie ihre Anlagen langsamer laufen
       lassen oder indem sie die Aerodynamik der Flügel verändern.
       
       In den 121 Fällen, in denen der Grenzwert überschritten wurde, hat sich das
       Ministerium mit den Anlagenbetreibern in Verbindung gesetzt. „Daraufhin
       wurden in fast allen Fällen die Schallleistungspegel so reduziert, dass die
       Immissionsrichtwerte bei Überwachungsmessungen eingehalten wurden“, teilt
       das Ministerium mit. Die übrigen 400 Windkraftanlagen würden bis Ende 2020
       untersucht.
       
       Die meisten Bundesländer hätten sich den Altbestand an Windrädern gar nicht
       angeguckt, sagt Touré. „Wir haben im Sinne der Bürgerinitiative gesagt, wir
       überprüfen alle Anlagen mit der neuen Berechnungsmethode.“
       
       Diese Methode will die Initiative Vernunftkraft nun anfechten. „Wir haben
       gerade eine Normenkontrollklage beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig
       eingereicht“, sagt deren schleswig-holsteinische Sprecherin Kirchhof. Dabei
       gehe es unter anderem um den Abschlag, der nach Ansicht der Initiative nur
       bei Messungen, nicht aber bei Prognosen angesetzt werden darf.
       
       Unzufrieden mit dem Zwischenbericht zur Überwachung der Windkraftanlagen
       ist auch der Bundesverband Windenergie. Zwar bestätige der Bericht der
       schleswig-holsteinischen Landesregierung, dass die Windkraftanlagen auch
       bei einem verschärften Schall-Prognoseverfahren die gesetzlichen Vorgaben
       erfüllten, teilt die Landesgeschäftsstelle des Windenergie-Verbandes mit.
       
       Er kritisiert jedoch, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung
       dieses Verfahren auch auf bereits existierende Windkraftanlagen anwendet.
       Die daraus resultierenden Auflagen stellten einen unverhältnismäßigen
       Eingriff dar. „Maßgeblich für einen derart massiven Eingriff dürfen nur
       konkrete Immissionsmessungen am Haus sein“, findet der BWE.
       
       Durch das neue Prognoseverfahren würden Windenergieanlagen nur theoretisch
       lauter bewertet als bisher, weil sich die Berechnungsmethode geändert habe.
       Die maßgeblichen Grenzwerte gälten aber unverändert.
       
       23 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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