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       # taz.de -- Europawahl in Berlin: Der Countdown läuft
       
       > Drei Tage vor der Wahl debattiert auch das Abgeordnetenhaus über Europa
       > und Grundgesetz – und SPD-Senator Geisel distanziert sich von
       > Juso-Plakat.
       
   IMG Bild: Darum geht's am Sonntag: Das Europäische Parlament in Brüssel mit seinen 751 Sitzen
       
       Es sind weniger als 82 Stunden bis zur Schließung der Wahllokale, als der
       Europawahlkampf am Donnerstag das Abgeordnetenhaus erreicht. Offiziell
       steht in der Tagesordnung ganz überparteilich: „70 Jahre Grundgesetz und
       ein starkes Europa: Gut für Berlin“. Doch fast alle Fraktionen nutzen die
       Gelegenheit, für sich selbst als beste Europäer zu werben und die jeweilige
       Gegenseite zu kritisieren. Bloß die AfD, selbst auf dem Radar von
       Verfassungsschützern, konzentriert sich ganz auf die am 23. Mai 1949
       beschlossene Verfassung und kommt zu der im Plenarsaal breites Gelächter
       auslösenden Selbsteinschätzung: „Wir sind die Grundgesetzpartei.“
       
       Hildegard Bentele von der CDU erlebt als erste Rednerin möglicherweise ihre
       vorletzte Abgeordnetenhaussitzung. Sie ist die hiesige EU-Spitzenkandidatin
       der Christdemokraten und nutzt die Gelegenheit, die rot-rot-grüne Regierung
       als europapolitische Versager darzustellen. Der für Kultur und Europa
       zuständige Senator Klaus Lederer (Linkspartei) konzentriert sich aus ihrer
       Sicht zu sehr auf den Kulturbereich: „Von Europabewusstsein oder
       Europapolitik ist relativ wenig zu spüren“, sagt Bentele und kommt zum
       Schluss: „Berlin hat mehr Europa verdient als bisher.“
       
       Das mag Regierungschef Michael Müller (SPD) für den Senat natürlich nicht
       so stehen lassen – vielleicht auch, weil der komplette Senat erst vor drei
       Monaten in Brüssel getagt hat. „Wir sind so eng wie nie in Brüssel
       vernetzt“, kontert Müller Benteles Vorwurf, „Berlin hat nie internationaler
       gearbeitet als jetzt – und genau dafür steht dieser Senat.“
       SPD-Fraktionschef Raed Saleh nennt Benteles Kritik „ein Stück weit daneben“
       und wirbt dafür, am Sonntag wählen zu gehen – „und am liebsten wär’s mir,
       Sie wählen Sozialdemokraten.“ Sein Fraktionschefkollege Udo Wolf von der
       Linkspartei wandelt das nur leicht ab, als er empfiehlt: „Wählen Sie links,
       auf jeden Fall links von der Mitte.“
       
       Auf diese Mitte der Bevölkerung kommt später noch Innensenator Andreas
       Geisel (SPD) grundsätzlich zu sprechen, als ihn die AfD-Fraktion nach
       beschädigten Wahlplakaten fragt, hinter denen sie Linksextreme vermutet.
       „Die Gefahr für die Demokratie besteht nicht durch Extremisten von links
       und rechts“, sagt Geisel, „die Gefahr entsteht durch die Gleichgültigkeit
       in der Mitte.“
       
       Die AfD, laut Fraktionschef Georg Pazderski die Partei, bei der „die Sorge
       um das Grundgesetz ganz oben auf der Agenda steht“, will noch mehr wissen:
       Wie denn die Landesregierung zu einem EU-Wahlplakat des SPD-Nachwuchses
       Jusos steht, das unter dem Titel „Nationalismus eiskalt abservieren“ eine
       Frau mit Baseballschläger zeigt. Da könnte sich der Innensenator nun
       dahinter verstecken, dass der Senat sich nicht zu Parteienwerbung äußere.
       Stattdessen sagt er, der SPD-Vize-Landeschef, zur Aktion seiner
       Parteijugend: „Ich distanziere mich ganz ausdrücklich davon.“ Er halte das
       Bild nicht für geeignet in einem Wahlkampf, in dem es um ein friedliches
       Europa gehe.
       
       Etwas mehr als 80 Stunden sind es noch, bis am Sonntag die Wahllokale
       schließen, als Regierungschef Müller den letzten Wahlaufruf des Vormittags
       formuliert: „Nutzen Sie Ihr Stimmrecht“, sagt er, „zeigen Sie den
       Europa-Gegnern die rote Karte.“
       
       23 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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