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       # taz.de -- Kommentar Netanjahu-Proteste: Angst vor Erdoğanisierung
       
       > Israels Opposition ist aus der Schockstarre erwacht. Sie protestiert
       > gegen die Aushöhlung der Demokratie und Intoleranz gegenüber
       > Andersdenkenden.
       
   IMG Bild: Proteste gegen Netanjahu in Tel Aviv. Die Kopfbedeckung Fes steht dabei türkische Verhältnisse
       
       Vor dem Tel Aviver Museum fand die [1][Protestveranstaltung gegen Israels
       Regierungschef Benjamin Netanjahu] statt und nicht wie sonst üblich vor dem
       Rathaus, denn die Veranstalter fürchteten, den großen Platz nicht füllen zu
       können. Am Ende kamen aber doch Zigtausende. Kaum zwei Monate nach den
       Parlamentswahlen löste sich die Opposition aus der Schockstarre, in die sie
       über die Perspektive einer fünften Amtszeit Netanjahus und ihren Folgen
       gefallen war.
       
       Korruptionsvorwürfe gegen einen Regierungschef sind in Israel nichts Neues.
       [2][Ex-Ministerpräsident Ehud Olmert musste für Jahre hinter Gitter,] weil
       ihn die Gier bestechlich werden ließ, und er war längst nicht der einzige
       korrupte Politiker. Den Anstoß für die Massenproteste am Samstag gab nicht
       der Verdacht gegen Netanjahu sondern erst sein feiger Versuch, den Kopf auf
       Kosten der Gewaltenteilung per Gesetzesreform aus der Schlinge zu ziehen.
       
       Es war die Skrupellosigkeit des noch amtierenden Regierungschefs, die die
       Massen mobilisierte. Netanjahus stetes Untergraben der Grundpfeiler der
       Demokratie – „der einzigen im Nahen Osten“, wie er gern selbst betont – ist
       Grund zur Sorge. Viele der Demonstranten trugen einen Fes, eine in der
       Türkei übliche Kopfbedeckung, und zogen damit den Vergleich zum türkischen
       Präsidenten. „Erdoğan ist hier“, hieß es auf einem Schild.
       
       Noch nicht ganz. Noch riskiert kein Regierungskritiker Gefängnis. Noch sind
       kontroverse Debatten möglich, wobei die aus Führungskreisen lancierte
       [3][Hexenjagd Andersdenkender schon jetzt ins gesellschaftliche Abseits
       drängt.] Bedrohlich ist, dass die Mehrheit bei diesem politischen Mobbing
       mitmacht oder es wenigstens aushält und zuschaut, ohne etwas dagegen zu
       unternehmen.
       
       Viel zu lange schon hat die Opposition das Feld denen überlassen, die die
       Demokratie ihrer politischen Agenda anpassen wollen. Der breite Protest
       lässt nun hoffen, dass die Lager, die für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit
       stehen, ihre Kräfte vereinen und sich denen entgegenstellen, die von
       türkischen Verhältnissen träumen.
       
       27 May 2019
       
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