# taz.de -- Kommentar Rücktritte in Österreich: Achtung, das ist keine Staatskrise
> In Österreich mögen ranghohe Politiker bereit sein, die Republik zu
> verscherbeln. Doch keine Panik: Die österreichische Verfassung
> funktioniert.
IMG Bild: Servus, Bussi und Baba. Dass Kurz gehen muss zeigt: Österreich funktioniert. Noch
[1][Was gerade in Österreich passiert], ist keine Staatskrise. Bei allem
Verständnis für ein gewisses Maß an Sensationsgier nach dem Ibiza-Skandal
um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und bei aller Aufregung um
den abgewählten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Was da in Österreich
passiert, ist das Gegenteil einer Staatskrise.
Denn wenn die schlechte Nachricht ist, dass in Österreich ranghohe
Politiker gefilmt werden, wie sie auf Ibiza bei Wodka-Red Bull in einer
Villa sitzen und anbieten, die Republik an eine vermeintliche russische
Oligarchen-Nichte zu verschachern, dann sind die guten Nachrichten, dass
die Medien als vierte Macht funktionieren und dass Bundespräsident
Alexander Van der Bellen nun mit einer derartigen Ruhe agiert, dass es eine
Freude ist. Und die beste Nachricht ist, dass die österreichische
Verfassung tut, was sie tun soll: eine Staatskrise verhindern.
Es ist allerdings durchaus eine Regierungskrise, wenn der eine Teil der
Regierung zurücktritt und der andere samt Kanzler durch ein
Misstrauensvotum abgewählt wird, [2][schlimmer geht es kaum]. Was man aber
nicht vergessen sollte, ist, dass ein Misstrauensvotum kein Putsch, sondern
ein demokratisches Instrument ist. Und dass alle Beteiligten Zeit hatten,
sich vorzubereiten.
Das Ibiza-Video wurde ihnen nicht erst bekannt, weil Süddeutsche Zeitung
und Spiegel es veröffentlicht haben. Laut Falter-Chefredakteur wurde in
Journalistenkreisen schon seit etwa einem Jahr darüber geredet. Man kann
davon ausgehen, dass sich viele politische Berater gründlich den Kopf
darüber zerbrochen haben, wie man vorgehen möchte, wenn die Katze aus dem
Sack ist.
In diesem Licht betrachtet, ist das alles eine wunderbare Inszenierung: HC
Strache und Johann Gudenus, Hauptakteure im Video, treten zurück, aber
nicht ohne zu sagen, wie ungerecht, besoffen und illegal alles war. Die FPÖ
fährt danach wie gewohnt ihre „Jetzt erst recht“-Linie. Noch-Kanzler
Sebastian Kurz [3][tritt mit einem „Genug ist genug“-Statement vor die
Presse] und versucht sich darüber hinwegzuempören, dass er selbst es war,
der die FPÖ in die Regierung geholt hat. Er erklärt die SPÖ für unfähig und
besetzt die freien Ministerposten neu – offenbar ohne mit der Opposition zu
beraten. Ein Misstrauensvotum war unausweichlich.
Zudem sei gesagt, dass es für eine Staatskrise selten einen singulären
Auslöser gibt, keinen Tag X, ab dem alle schreiend im Kreis laufen. Eine
Staatskrise ist ein schleichender Vorgang, bei dem eine Regierung versucht,
eine Demokratie von innen auszuhöhlen. Dieser Zustand wurde in Österreich
abgewendet, zumindest fürs Erste.
29 May 2019
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## AUTOREN
DIR Saskia Hödl
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