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       # taz.de -- Monsanto-Prozess in den USA: Rekordstrafe wegen Glyphosat
       
       > Ein US-Gericht verurteilt Bayer zu zwei Milliarden Dollar Schadenersatz
       > an ein Ehepaar. Es hatte häufig Glyphosat gespritzt und ist an Krebs
       > erkrankt.
       
   IMG Bild: Bayer unterliegt erneut im Streit um seine Tochterfirma Monsanto und das Mittel Glyphosat
       
       Cluj-Napoca taz | Im dritten US-Prozess wegen Krebserkrankungen durch das
       Pestizid Glyphosat hat ein Gericht den Chemiekonzern Bayer zu Schadenersatz
       in Rekordhöhe verurteilt. Das Tochterunternehmen Monsanto müsse dem an der
       Tumorart Non-Hodgkin-Lymphom erkrankten Paar Alva und Alberta Pilliod mehr
       als zwei Milliarden Dollar zahlen, entschied eine Jury am Montag im
       kalifornischen Oakland. Sie hatten jahrzehntelang das Glyphosat-haltige
       Pestizid RoundUp auf ihren Grundstücken gesprüht – ohne Schutzkleidung, da
       der Hersteller laut Gericht nicht vor den Risiken gewarnt hatte.
       
       Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff und ein Symbol
       für die chemiegetriebene Landwirtschaft. In Europa wird diskutiert, den
       Unkrautvernichter zu verbieten. Das Gift tötet so gut wie alle nicht
       gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und
       Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.
       
       Die Anwälte der Kläger sprachen von einem „historischen“ Strafmaß. In den
       beiden früheren Glyphosat-Fällen wurde Bayer zu Schadenersatzzahlungen in
       Höhe von 80 Millionen beziehungsweise 289 Millionen Dollar verurteilt.
       
       Mit dem aktuellen Urteil steigt das Prozessrisiko für Bayer durch die
       Übernahme von Monsanto im vergangenen Jahr weiter. Insgesamt sind in den
       USA noch mehr als 13.000 Klagen wegen Glyphosat anhängig. Schon nach den
       ersten Urteilen fiel der Aktienkurs von Bayer um rund 40 Prozent. In einem
       für ein großes deutsches Unternehmen einmaligen Vorgang weigerten sich die
       Aktionäre daraufhin, den Vorstand bei der Hauptversammlung zu entlasten.
       
       ## Gericht: Monsanto habe die Risiken kennen müssen
       
       Die Jury in Oakland stellte fest, dass RoundUp ein „substantieller Faktor“
       war, der den Pilliods Schaden zugefügt habe. Das Mittel hat laut Urteil
       „potenzielle Risiken“, die Monsanto bekannt sein mussten. Die Firma habe
       fahrlässig gehandelt.
       
       Die Geschworenen hätten firmeninterne Dokumente einsehen können, aus denen
       hervorgehe, dass Monsanto „niemals irgendein Interesse daran hatte,
       herauszufinden, ob Roundup sicher ist“, teilte Klägeranwalt Brent Wisner
       mit. Anstatt in „korrekte Wissenschaft“ zu investieren habe das Unternehmen
       sein Geld in Angriffe auf die Wissenschaft gesteckt, die „ihren
       Businessplan bedrohte“. So schrieb Monsanto dem Anwalt zufolge selbst
       entlastende Studien, die dann angeblich unabhängige Wissenschaftler in
       Fachzeitschriften veröffentlichten. Die US-Umweltbehörde EPA habe diese
       Artikel zitiert in ihren Stellungnahmen, die Glyphosat als sicher
       einstuften.
       
       Interne Dokumente der Firma hätten auch bewiesen, dass Monsanto die EPA und
       andere Zulassungsbehörden beeinflusst habe. Zudem habe das Unternehmen eine
       PR-Kampagne gestartet, um ihm gemäße Artikel etwa bei der
       Nachrichtenagentur Reuters zu platzieren. Die erste US-Zulassung aus dem
       Jahr 1974 habe auf Studien eines Labors basiert, das regelmäßig Daten
       gefälscht habe. Drei Führungskräfte dieses Labors seien später wegen
       Betrugs verurteilt worden.
       
       ## Konzern wehrt sich
       
       Bayer teilte mit, es sei von der Entscheidung der Jury „enttäuscht“ und
       werde dagegen Rechtsmittel einlegen. Um zu dem Schluss zu kommen, dass das
       Mittel tatsächlich an den Krebsdiagnosen des Paares schuld ist, hätte die
       Jury nach Meinung des Unternehmens feststellen müssen, dass die
       Krebserkrankungen der Kläger ohne den Einsatz von Roundup nicht eingetreten
       wären. Dafür gebe es aber „keine verlässlichen wissenschaftlichen
       Nachweise“, erklärte Bayer. Vielmehr bestehe ein weltweiter Konsens unter
       Zulassungsbehörden, wonach Produkte auf Glyphosatbasis sicher verwendet
       werden könnten.
       
       In der Forschung ist die Frage, ob Glyphosat eine krebsauslösende Wirkung
       hat, umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in
       der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass von Glyphosat keine
       Krebsgefahr ausgeht. Dagegen konstatierte die zur
       Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für
       Krebsforschung (IARC) 2015, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend
       bei Menschen“ sei. Sie beurft sich unter anderem auf Tierversuche, bei
       denen mit Glyphosat gefütterte Ratten und Mäusen Tumoren entwickelten.
       
       Bayer verwies in seiner Stellungnahme auf die Einschätzung der EPA, zu der
       das Jury-Urteil „in direktem Widerspruch“ stehe. Roundup werde „seit mehr
       als 40 Jahren weltweit sicher und erfolgreich verwendet“, erklärte das
       Unternehmen weiter.
       
       ## Auch taz auf Geheimliste von Monsanto?
       
       Das Urteil fiel kurz nachdem Bayer sich für eine geheime Liste entschuldigt
       hatte, auf der Monsanto die Namen und weitere persönliche Angaben von
       Kritikern des Unternehmens festgehalten hatte. „Nach einer ersten Analyse
       verstehen wir, dass ein solches Projekt Bedenken und Kritik ausgelöst hat“,
       erklärte Bayer am Sonntag in Leverkusen.
       
       PR-Agenturen sollen nach einem Bericht des französischen Senders France 2
       vom Donnerstag ab 2016 eine Liste mit Kritikern in Frankreich im Auftrag
       des US-Konzerns geführt haben. Darin waren laut dem Bericht zuletzt rund
       200 Namen aufgeführt – mit Noten von 0 bis 5, je nach Einfluss und Grad der
       Unterstützung für Monsanto.
       
       Die Politiker, Wissenschaftler oder Journalisten wurden mit Privatadresse,
       Telefonnummer und sogar ihren Hobbys gelistet. Monsanto wollte die Kritiker
       demnach „erziehen“ und besonders hartnäckige Gegner sogar „überwachen“.
       Bayer betonte, keine Kenntnis davon gehabt zu haben.
       
       Das Unternehmen teilte der taz [1][am Montagabend mit], es gehe davon aus,
       „dass es ähnliche Listen auch für andere europäische Länder gegeben hat.“
       Bayer habe eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, den Fall zu untersuchen.
       Sollte auch der Autor dieses Artikels betroffen sein, werde sie ihn
       informieren.
       
       14 May 2019
       
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   DIR Jost Maurin
       
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