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       # taz.de -- Wahlkampf rechter Parteien in Mailand: Österreichs Krise dämpft die Laune
       
       > Rechte Parteien schließen in Italien ihren EU-Wahlkampf ab. Das Treffen
       > ist überschattet von Österreichs zurückgetretenem Vize Strache.
       
   IMG Bild: Die von Lega-Chef Salvini organisierte Kundgebung
       
       Mailand taz | Die Enthüllungen um den am Samstagmittag [1][zurückgetretenen
       österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache] prägten auch den
       gemeinsamen Wahlkampfabschluss rechtspopulistischer Parteien am Samstag in
       Mailand. Der FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky sagte kurzfristig ab, die
       französische Rassemblement National-Führerin Marine Le Pen musste sich
       unangenehme Fragen anhören.
       
       Die italienische Lega hatte zuletzt die Teilnahme von zwölf Parteien –
       darunter die FPÖ – angekündigt, die nach der EU-Wahl eine gemeinsame
       Fraktion bilden wollen. Ursprünglich war sogar von fünfzehn die Rede
       gewesen. Schon vorab hatte allerdings Ungarns Ministerpräsident Viktor
       Orbán die Einladung Salvinis nach Mailand abgelehnt. Trotz des zuletzt
       völlig eskalierten Streits mit seiner konservativen EVP-Fraktion will Orbán
       dem neuen Bündnis vorerst nicht beitreten.
       
       Seit Wochen hatte der Vorsitzende der Lega und italienische Innenminister
       Matteo Salvini für die Veranstaltung getrommelt. Eine „Demonstration seiner
       Stärke“ werde diese, war am Vorabend im italienischen Fernsehen zu hören.
       Schon im April hatten der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen und Salvini zu dem
       Event eingeladen. Man werde zur Gründung der [2][neuen rechten
       Parteienfamilie] ein rauschendes Fest der Völker feiern, hatten sie
       versprochen, auf dem wunderschönen Domplatz.
       
       Mitte der Woche dann postete Meuthen ein Video, in dem er dem „lieben
       Matteo“ versichert, es sei ihm eine “große Ehre mit großen Patrioten
       zusammen für ein Europa der Vernunft“ zu kämpfen.
       
       ## Le Pen hat selbst enge Verbindungen nach Russland
       
       Anders als die Teilnahme des in Italien weithin unbekannten Meuthen hatte
       der Auftritt Marine Le Pens viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie gab
       schon früh am Morgen in einem Luxushotel in der Mailänder Innenstadt eine
       Pressekonferenz. Die von Salvini organisierte Demo am Nachmittag werde ein
       „historischer Moment“ versprach sie, vergleichbar mit der französischen
       Revolution und werde das „wahre Europa“ erschaffen. Eine „Supergroup“ wolle
       man im EU-Parlament bilden, und natürlich sei ein „Kampf der Kulturen“ zu
       führen. Die EU könne sich „zum ersten Mal seit Jahrzehnten“ verändern.
       „Diese Aussicht ist begeisternd.“
       
       Am Freitagabend hatten mehrere Medien Videoaufnahmen veröffentlicht, die
       die FPÖ stark belasten: [3][Dort ist zu sehen], wie Heinz-Christian Strache
       im Wahlkampf 2017 einer angeblichen russischen Millionärin in Aussicht
       stellt, ihr öffentliche Aufträge zuzuschanzen, wenn sie im Gegenzug der FPÖ
       zum Wahlerfolg verhilft.
       
       Auf mehrere Nachfragen zum Strache-Video sagte Le Pen: “Wir haben es
       gesehen und warten jetzt auf die Erklärung von Heinz-Christian Strache.
       Vorher äußern wir uns nicht.“ Nach der Erklärung werde es “eine Diskussion“
       in der Gruppe geben, so Le Pen. Sie finde es “sehr erstaunlich, dass es
       dieses Video seit zwei Jahren gibt und es jetzt, einige Tage vor der Wahl,
       plötzlich auftaucht.“ Le Pen pflegt selber enge Verbindungen nach Russland.
       
       Der so genannte “Spitzenkandidat“ des RN, der gerade erst 23-jährige Jordan
       Bardella, saß während der 50-minütigen Pressekonferenz wie ein Assistent
       neben Le Pen und sagte bis zum Schluss nicht ein einziges Wort. Le Pen
       machte sich nicht einmal die Mühe ihn vorzustellen.
       
       ## Protest von feministischen Gruppen getragen
       
       Ursprünglich firmierte das neue Rechtsbündnis als “Europäische Allianz der
       Völker und Nationen“ englisch EAPN. Doch wegen der Verwechslungsgefahr mit
       dem gleichlautend abgekürzten Europäischen Armutsnetzwerk sprach Salvini
       nur noch vom “Europa der Vernunft“, in Brüssel läuft die Gruppierung als
       “Salvini-Allianz“.
       
       In den letzten Tagen hatten viele Medien die Frage aufgeworfen, was diese
       eigentlich zusammen halte – schließlich gibt es fundamentale Unterschiede
       etwa in der Wirtschaft- und Finanzpolitik. Darauf angesprochen sagte LePen:
       “Kein Problem – wir sind Souveränisten, dass jeder seine eigene Vision hat,
       ist ja gerade unser Ansatz.“
       
       Auch der AfD-Chef Meuthen war von der DPA auf die offensichtlichen
       Interessenkonflikte angesprochen worden und hatte Differenzen etwa in der
       Haushalts- und Finanzpolitik eingeräumt. „Wir sind nicht in allem einer
       Meinung, und ich weiß, dass sie manchmal verbal scharf schießt“, sagte er
       über Le Pen. „Ich glaube nur, dass die Vorteile einer Kooperation da die
       Nachteile überwiegen.“
       
       Schon am Morgen trafen die ersten Busse mit Salvini-Anhängern aus
       Süditalien in Mailand ein. Wochenlang hatte die Lega vor allem auf Facebook
       dazu aufgerufen, am Samstag dem „Capitano“ – gemeint war Salvini – nach
       Mailand zu folgen.
       
       ## Familie als „Schlüsselbegriff der Faschisten“
       
       Auch Salvini selbst dürfte die Strache-Enthüllungen zu spüren bekommen.
       Seine Partei hat enge Beziehungen nach Russland. Vor Beginn des
       EU-Wahlkampfs hatten Journalisten der Zeitung L'Espresso geschrieben, dass
       Russland der Lega über einen krummen Öl-Deal Geld zukommen lassen wollte.
       Salvini hatte nicht gegen die Darstellung geklagt. Hinzu kommt, dass ein
       Lega-Staatssekretär vor einigen Tage wegen Mafia-Kontakten entlassen werden
       musste.
       
       Den Protest trugen am Samstag vor allem feministische Gruppen um das
       Netzwerk Ni Una di Meno. Sie hatten in der Nacht auf Donnerstag die Straße
       Corso Venezia in mit pinken Fäusten bemalt. Auf dieser Straße in der
       Mailänder Innenstadt laufen jedes Jahr am Tag der Befreiung, dem 25. April,
       traditionell die Partisanen. Am Samstag startete dort der Marsch der Lega
       auf dem Weg zu Salvinis Kundgebung.
       
       Eine Sprecherin von Ni Una di Meno sagte der taz, die Lege in Norditalien
       sei immer stärker mit nazistischen Gruppen verflochten und eines der
       wichtigsten gemeinsamen Themen sei die Genderpolitik: „Familie ist heute
       der Schlüsselbegriff für die Faschisten“. Für vierzehn Uhr hatte ein linkes
       Bündnis deshalb zur „Großen Gala für die Zukunft“ auf dem Platz vor dem
       Schloss Castello Sfrozesco aufgerufen. Das Motto der Kundgebung spielte auf
       die Familienpolitik der Lega an: „Rückwärts gegangen wird nicht“.
       
       Salvini stellte sich am Freitag im Fernsehen als großer Europa-Freund dar.
       „Die Euroskeptiker sind die, die Europa derzeit regieren“, sagte er. „Die
       Anti-Europäer sind die Sozialisten und die, die den Traum in einen Käfig
       verwandelt haben.“
       
       ## Spannungen in Italiens Regierungskoalition
       
       Im Zentrum der neuen Allianz stehe der Schutz der europäischen Grenzen vor
       Migranten, sagte Salvini. Er wünsche sich eine EU, wie sie vor der
       Einführung der strengeren Kriterien zur Haushaltsdisziplin war. „Ich würde
       zu den Regeln vor Maastricht zurückkehren“, als man mit Wirtschafts- und
       Steuerregeln noch Ziele wie Wohlstand und Arbeitsplätze gehabt habe, sagte
       der Lega-Chef weiter. „Heute bringt uns Brüssel volle Arbeitslosigkeit.“
       
       Die Regierungskoalition aus Salvinis Lega und der linkspopulistischen
       Fünf-Sterne-Bewegung von Vize-Ministerpräsident Luigi di Maio liegt wegen
       ihrer Finanzpolitik mit der Europäischen Union (EU) über Kreuz. Ende 2018
       hatten die EU-Kommission und Italien wegen der hohen Staatsschulden
       monatelang über den Haushalt für 2019 gestritten.
       
       Doch zuletzt mehrten sich vor der Europawahl wegen des Umgangs mit den
       Staatsschulden die Spannungen innerhalb der Koalition. Di Maio sagte erst
       am Donnerstag, seine Partei werde kein Haushaltsgesetz zulassen, das die
       Staatsschulden in die Höhe treibe. Laut Salvini ist die Regierung hingegen
       bereit, die Defizit-Regeln der EU zu brechen und die Verschuldung weiter
       anschwellen zu lassen, um die Konjunktur anzukurbeln.
       
       18 May 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Regierungskrise-in-Oesterreich/!5596341
   DIR [2] /Rechtspopulisten-bei-der-Europawahl/!5595817
   DIR [3] https://www.spiegel.de/video/fpoe-chef-heinz-christian-strache-die-videofalle-video-99027174.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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