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       # taz.de -- Kommentar Regierungskrise in Wien: Zutiefst antidemokratisch
       
       > Sebastian Kurz' Vorhaben, die FPÖ in der Regierung zu zähmen, ist
       > gescheitert. Derartige Koalitonen sind der Ausverkauf der eigenen Werte.
       
   IMG Bild: Rechtsextremen zuhören? Österreichs Kanzler Kurz (l.) und sein ehemaliger Vize Strache
       
       26 lange Stunden brauchte der österreichische Kanzler Kurz, bis er am
       Samstagabend dann doch das einzig Richtige tat: Er beendete die Koalition
       mit der FPÖ und [1][kündigte Neuwahlen an]. Bedenklich aber, dass diese
       Entscheidung so lange dauerte. Heinz-Christian Strache, bis Samstag
       FPÖ-Chef und Vizekanzler, und sein Vertrauter Johann Gundenus hatten auf
       Ibiza auf eindrückliche Weise [2][den Kern der FPÖ offenbart]: mit
       illegalen Parteispenden mindestens liebäugelnd, zu Machtmissbrauch bereit,
       für Korruption und russischen Einfluss offen, dazu zutiefst
       antidemokratisch. Mit einer solchen Partei darf ein Kanzler, der von sich
       behauptet, konservativ zu sein, keine gemeinsame Sache machen.
       
       Dass Kurz wohl aber dennoch erwog, die Koalition mit ausgetauschtem
       FPÖ-Personal fortzusetzen, zeigt, wie machtstrategisch getrieben er ist.
       Erst als ihm klar wurde, dass eine Fortführung des ohnehin von zahlreichen
       FPÖ-Affären gebeutelten Regierungsbündnisses auch seinem Ansehen und seiner
       politischen Karriere schaden würde, zog er die Reißleine. Nun muss er
       eingestehen: Sein Vorhaben, die FPÖ durch Regierungsbeteiligung zu zähmen,
       [3][ist gescheitert].
       
       Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, so lieferte Strache diesen bei
       seiner Rücktrittserklärung selbst: Er verharmloste sein über sechs Stunden
       andauerndes Fehlverhalten als „b'soffene Geschicht'“, kritisierte die
       Falle, in die er getappt war, als „gezieltes politisches Attentat“, gab
       etwas Verschwörungstheorie hinzu und griff die Medien an. Wirkliche
       Fehleranalyse bei sich selbst? Fehlanzeige. Schuld sind immer die anderen.
       Ein Muster, das man auch von der AfD kennt. Dazu passt auch, dass AfD-Chef
       Meuthen den Skandal als „singuläre Angelegenheit“ verharmloste.
       
       Nun kann einem bei der perfekt geplanten und auf die Schwächen der beiden
       FPÖ-Männer abgestellten Falle durchaus unwohl werden. Auch wirft die große
       Zeitspanne zwischen der Aufnahme 2017 und der Veröffentlichung kurz vor der
       so wichtigen Europawahl Fragen auf, die man gern beantwortet hätte. Das
       alles aber mildert das Verhalten von Strache und seinem Gehilfen nicht: Für
       das Ausgeplauderte sind sie nun einmal ganz allein selbst verantwortlich.
       
       Christdemokraten in Sachsen, Brandenburg und Berlin, die mit Entsetzen auf
       [4][die Umfragewerte der AfD für die Landtagswahlen im Herbst] starren,
       sollten sich die Geschehnisse in Österreich sehr genau anschauen. Das gilt
       auch für alle anderen europäischen Konservativen, die mit einer Koalition
       mit radikal Rechten liebäugeln. Der Preis dafür ist hoch: Es ist der
       Ausverkauf der eigenen Werte.
       
       19 May 2019
       
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