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       # taz.de -- Kolumne Habibitus: Scheinheilig und voller Doppelmoral
       
       > SexarbeiterInnen werden pauschal zu Opfern erklärt. Wer Menschenhandel
       > erschweren will, sollte für offene Grenzen kämpfen.
       
   IMG Bild: Verbände warnen, die Registrierung von Sexarbeiter_innen könnte mehr schaden als nutzen
       
       Solange es einvernehmlich ist, hat niemand darüber zu bestimmen, unter
       welchen Umständen, wie häufig und auf welche Art Erwachsene miteinander Sex
       haben. Das sollte feministischer Konsens sein. Geht es jedoch um Sexarbeit,
       wird dies für so manch eine_n zu einer schwer akzeptierbaren Sache. Ähnlich
       wie beim Thema Kopftuch, Trans*Identität oder Fat-Liberation zeigt sich
       auch beim Sexarbeitsdiskurs, dass die Floskel „Mein Körper, meine Regeln“
       eigentlich nur schlanken, bürgerlichen, weiß-christlichen cis Frauen
       zugestanden wird.
       
       Sexarbeiterinnen – stets als weiblich begriffen, denn nichtbinäre oder (cis
       wie trans) männliche kommen in dieser Narrative schlicht nicht vor – werden
       von der Gesellschaft pauschal zu Opfern erklärt. Dabei sind die
       eigentlichen Opfer diejenigen Frauen, die ohne jegliche Kompensation mit
       ihren Partner_innen (für sie unbefriedigenden) Sex haben, während sie
       anderen Personen vorschreiben wollen, was eine gesunde oder moralisch
       (auf)richtige Sexualität ist.
       
       Manche behaupten, Sexarbeit sei ein schmutziger Beruf. Mich wundert es,
       dass diese Arbeit als schmutzig gilt, aber beispielsweise Polizist_in,
       Politiker_in, Atomkraftlobbyist_in oder Fahrkartenkontrolleur_in nicht.
       Dabei sind dies allesamt Jobs, die in Korruption, Menschenfeindlichkeit und
       gruppenbezogener Gewalt münden können.
       
       ## Verbot der Prostitution?
       
       Um die Kriminalisierung der Sexarbeit zu rechtfertigen, höre ich oft das
       Alibi-Argument, viele Prostituierte seien von Menschenhandel betroffen.
       Menschenhandel gibt es auch in sehr vielen anderen Sektoren, wie etwa der
       Gastronomie, der Landwirtschaft, im Baugewerbe [1][oder der
       Haushaltsarbeit]. Offensichtlich kann ein Verbot von Prostitution
       Menschenhandel nur zu einem Bruchteil vorbeugen – wenn überhaupt.
       
       Wer wirklich Menschenhandel erschweren will, kämpft für offene Grenzen und
       Dekriminalisierung von Migration. Bevormundende Maßnahmen wie das
       Prostituiertenschutzgesetz fügen Sexarbeiter_innen mehr Schaden zu als sie
       ihnen Schutz bieten können. Verbände und Aktivist_innen haben bereits
       mehrfach davor gewarnt, dass die Registrierung als Sexarbeitende
       faschistische Ausmaße annehmen kann. Im Nationalsozialismus wurden
       Sexarbeiter_innen verfolgt, ermordet und mussten Zwangsarbeit verrichten.
       
       „Die Vagina ist kein Arbeitswerkzeug!“ sagen Sexarbeitsgegner_innen. Mir
       wäre es lieber, mehr Leute benutzten ihre Vagina nur um Geld zu verdienen,
       anstatt noch mehr rassistische Kinder in die Welt zu setzen. Außerdem hat
       nicht jede_r Sexarbeiter_in hat eine Vagina oder lässt die eigenen
       Genitalien zum Einsatz kommen.
       
       Am 2. Juni ist Internationaler Hurentag. Der Kampf um die Rechte von
       Sexarbeiter_innen sollte ein feministisches und ein linkes Anliegen sein.
       Denn wer sich mit Arbeiter_innen solidarisiert, darf nicht jene vergessen,
       deren Arbeitsbedingungen mit am prekärsten sind.
       
       2 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://menschenhandelheute.net/zahlen-daten-und-fakten/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
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