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       # taz.de -- Bremer Bürgerschaftswahlen: SPD am Ende des Triumphzuges
       
       > Nach ersten Prognosen liegt die SPD bei den Bremer Bürgerschaftswahlen
       > bei 24,5 Prozent. Eine Schmach für die Partei, die hier seit 73 Jahren
       > regiert.
       
   IMG Bild: Hört wohl nicht richtig – Schlechte Nachrichten für Bremer SPD
       
       In der Nacht zum Wahltag hatte es auf einer Kreuzung im linksalternativ
       geprägten Viertel östlich der City Randale gegeben: Etwa 300 Leute hatten
       die Straße laut Polizei besetzt, ein paar davon gewaltbereit: Farbbeutel
       und Flaschen flogen, Feuerchen wurde angezündet – ein paar Beamte trugen
       Blessuren davon.
       
       Das aber scheint belanglos angesichts des Schadens, den die SPD bei der
       Landtagswahl davongetragen hat: Entsetzen zeichnete sich auf den Gesichtern
       bei der Wahlparty in einem Lokal in der berühmten Böttcherstraße ab. Die
       SPD, so zeigen es die ersten Hochrechnungen, scheint zweite Kraft hinter
       der CDU geworden zu sein. Das zumindest geht aus den
       [1][Nachwahlbefragungen] hervor: Die sehen die SPD bei 24,5 Prozent, die
       Union bei 26,5 Prozent (FG-Wahlen).
       
       Was das für die Sitzverteilung und Koalitionsbildung im kleinsten
       Bundesland Deutschlands heißt, lässt sich noch nicht sagen, auch weil die
       beiden Wahlbereiche Bremen und Bremerhaven je eigene Fünfprozenthürden
       haben. Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Selbst die
       erste Hochrechnung, basierend auf der Auszählung von 70 Stimmbezirken, war
       erst für die Nacht von Sonntag auf Montag angekündigt. Das vorläufige
       Endergebnis wird am Mittwoch vorliegen.
       
       Grund für diese Verzögerung ist vor allem ein [2][komplexes Wahlsystem],
       bei dem alle Wählenden fünf Stimmen querbeet auf Parteilisten und ihre
       Kandidierenden verteilen können. Und: Bei der vorherigen Bürgerschaftswahl
       vor vier Jahren war es vermehrt [3][zu Anfechtungen gekommen].
       
       Zwar hatte der Staatsgerichtshof, also das Landesverfassungsgericht,
       anderthalb Jahre nach dem Wahltag [4][im Wesentlichen das Ergebnis von 2015
       bestätigt.] Trotzdem hatten die Richter der Landeswahlleitung „aufgetragen,
       den Zeitdruck aus der Auszählung rauszunehmen“, so Evelyn Temme vom Wahlamt
       zur taz.
       
       Auch diesmal kommt es aufs Detail an. Ob die FDP den Wiedereinzug ins
       Parlament geschafft hat, ist unklar: Die Befragungen taxieren sie auf 6
       Prozent, auch die AfD scheint noch dichter an der Fünfprozenthürde
       herumzukrepeln – Infratest hingegen sah sie bei 7 Prozent.
       
       Einer Großen Koalition unter egal welcher Führung hatte Bürgermeister
       Carsten Sieling zuletzt mehrfach eine deutliche Absage erteilt. Allerdings
       hatte der traurige SPD-Kandidat die Lage zusätzlich kompliziert gemacht
       durch die Behauptung, wer die stärkste Fraktion habe, besitze ein
       „Vorgriffsrecht“ auf die Regierungsbildung.
       
       ## Zukunftsperspektive vs. Investitionsstau
       
       Sieling kann einem leid tun: Er hatte 2015 sein Bundestagsmandat aufgegeben
       und war eingesprungen: Am Tag nach der Wahl hatte der damalige
       Bürgermeister Jens Böhrnsen hingeschmissen. Die aktuelle Missstimmung
       scheint dem rigiden und erfolgreichen Konsolidierungskurs von Bremens seit
       2007 regierender rot-grüner Koalition geschuldet: Die grüne Finanzsenatorin
       Karoline Linnert hat seither das gar nicht so kleine Wunder vollbracht, den
       Haushalt des Kleinstlandes in geordnete Bahnen zu bringen – und in die
       Tilgung der fast 22 Milliarden Euro Schulden einzusteigen.
       
       Zugleich war Sieling ab 2016 stark in die Verhandlungen zur Neuordnung der
       finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern involviert: Er hat dabei
       Bremen zu einer echten Zukunftsperspektive verholfen – nur spüren das die
       WählerInnen weniger als den Investitionsstau auf Straßen und in Schulen.
       
       Bundespolitisch hätte die Wahl keine Auswirkungen, wenn sie nicht für die
       sozialdemokratische Psyche so verheerend wäre. Bremen war immer die Stadt
       großer SPD-Triumphe gewesen: Das kleine Land galt als Jungbrunnen für
       geplagte GenossInnen. Der ist versiegt. Nicht ausgeschlossen, dass
       Parteichefin Andrea Nahles das nun ausbaden muss.
       
       26 May 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Wahltagsbefragung
   DIR [2] https://www.wahlen.bremen.de/bremer_wahlen-6925
   DIR [3] /Kommentar-Wahlverfahren-Bremerhaven/!5328650
   DIR [4] /Bremer-Wahlergebnis-ist-gueltig/!5335993
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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