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       # taz.de -- Kritik an Schlachthof-Veterinären: Machtlose Kontrolleure
       
       > Nach den Skandalen an niedersächsischen Schlachthöfen wird die Kritik an
       > den dort arbeitenden Tierärzten lauter: Viele seien nicht unabhängig.
       
   IMG Bild: Auge in Auge: Ein Veterinär prüft den Zustand eines Rinds auf dem Transport
       
       Hamburg taz | Nach mehreren Skandalen um niedersächsische Schlachthöfe wird
       die Kritik an den dort beschäftigten Tierärzten lauter. Diese hätten ihre
       Kontrollfunktion nicht erfüllt, so lautet der Vorwurf, den nicht nur
       TierschützerInnen, sondern auch Berufsverbände von TierärztInnen erheben.
       Nur so sei zu erklären, dass gegen geltende Vorschriften kranke und
       verletzte Tiere zu den Schlachthöfen gebracht und dort getötet würden.
       
       Zuletzt war dies durch Filmaufnahmen der Tierrechtsorganisation Soko
       Tierschutz in einem Schlachthof in Düdenbüttel im Landkreis Stade belegt
       worden. Dort ermittelt nun die Staatsanwaltschaft, am Mittwoch beschäftigt
       sich der Kreistag mit den Vorfällen.
       
       Laut Anja Elsig von der Soko Tierschutz nehmen die Tierärzte ihre
       Kontrollfunktion in den Schlachthöfen nicht wahr, weil es dabei schwere
       „Systemfehler“ gebe. Die Veterinärämter beauftragen neben den fest
       angestellten Amtstierärzten niedergelassene Tierärzte, die dann als
       sogenannte amtliche Tierärzte die Tiere vor der Schlachtung überprüfen. Da
       sie meist am selben Ort wohnen, sind sie „eng verbandelt“ mit den
       Tierhaltern.
       
       Ein weiteres Problem: In den kleinen Schlachthöfen, in denen nicht
       kontinuierlich Tiere angeliefert werden, sind die Tierärzte nicht
       kontinuierlich vor Ort. Daher, so der Verdacht, stellen sie Zeugnisse für
       Tiere aus, die sie nicht lebend gesehen haben. In Niedersachsen stehen laut
       Landwirtschaftsministerium 240 fest angestellten Amtstierärzten 400
       amtliche Tierärzte gegenüber.
       
       ## Rotationsmodell gefordert
       
       Um eine echte Unabhängigkeit der Tierärzte zu gewährleisten, fordert die
       Soko Tierschutz ein Rotationsmodell, mit dem die Tierärzte an wechselnden
       Standorten arbeiten. Dies sei „eine der wichtigsten Forderungen“ in der
       Aufarbeitung der Schlachthofskandale, sagt Elsig.
       
       Die Strukturkritik kommt aber auch von Seiten der Tierärzte selbst. Diana
       Plange vom Verein „Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft“ spricht von
       einem „unglücklichen Konstrukt“. Die Tierärzte sparten sich die
       wiederholten Anfahrten zu den kleinen Schlachthöfen, um die erforderliche
       „Lebendbeschau“ zu machen, füllten aber die entsprechenden Formulare aus,
       um die Gebühren abzurechnen. Damit machten sie sich bereits strafbar, sagt
       Plange.
       
       Im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium ist man sich der möglichen
       Interessenskonflikte von amtlichen Tierärzten bewusst. In einer Antwort der
       Pressestelle auf eine Anfrage der taz heißt es: „Da nebenberufliche,
       amtliche Tierärzte häufig im Hauptberuf kurativ tätig sind und insofern
       naturgemäß häufig mit Tierhaltern zu tun haben, können im Einzelfall
       Interessenskonflikte nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.“
       
       Was getan wird, um eben diese Konflikte zu vermeiden? Die Mitarbeiter
       würden durch die kommunalen Arbeitgeber „auf die strikte Überwachung der
       Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und ihrer eigenen
       Dienstverpflichtungen hingewiesen und arbeitsvertraglich verpflichtet“.
       
       Dass in vielen Schlachthöfen die Vorschriften zum Tierschutz nicht
       eingehalten werden, haben nicht nur die Aufnahmen der Soko Tierschutz,
       sondern auch Kontrollen des niedersächsischen Landesamtes für
       Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) gezeigt. Nach den
       Skandalen hat das Landesamt gemeinsam mit den kommunalen Veterinärämtern
       etwa 40 Betriebe kontrolliert. Rund die Hälfte waren Kleinbetriebe.
       
       Dabei wurden laut Landwirtschaftsministerium „vereinzelt schwerwiegende
       Mängel festgestellt“. Diese traten überwiegend bei Klein- oder
       Mittelbetrieben auf. Dies bestätigen die Soko Tierschutz und Diana Plange.
       Obwohl die Kleinbetriebe wegen der geringen Transportwege für die Tiere
       wünschenswert seien, seien etwa die Betäubungsmethoden oft problematisch.
       
       ## Strafanzeige gegen Staatsanwaltschaft
       
       Nicht nur Tierrechtler kritisieren die Arbeitsbedingungen der Tierärzte auf
       den Schlachthöfen. Der Bundesverband der verbeamteten Tierärzte (BbT) klagt
       selbst über Probleme bei der Ausübung seiner Arbeit. Die Tierärzte in den
       Schlachthöfen trügen „Mitverantwortung“, sagt der Präsident des BbT, Holger
       Vogel. Schwierig sei einerseits der Zeitdruck, unter dem gearbeitet würde,
       da es großen Druck gebe, die Gebühren gering zu halten.
       
       Andererseits stünden die Tierärzte unter hohem Druck, wenn sie den Betrieb
       aufhielten, indem sie etwa das Schlachtband anhielten. Das bestätigen auch
       Anja Elsig von der Soko Tierschutz und Diana Plange vom Verein „Tierärzte
       für verantwortbare Landwirtschaft“. Aus Planges Sicht „steht und fällt es
       mit den Leuten, die dort arbeiten“.
       
       Doch auch, wenn Tierärzte dem Druck vor Ort standhalten und etwa
       Strafanzeige gegen Tierhalter erstatten, bewirkt das häufig wenig. „Wir
       kommen einfach nicht weiter“, sagt Holger Vogel. Das führe dann zu der
       Haltung, man könne „das Veterinäramt an der Nase herumführen“.
       
       Die Soko Tierschutz hat Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft Oldenburg
       wegen Verdachts der Rechtsbeugung gestellt. Sie stützt sich dabei unter
       anderem auf eine Kleine Anfrage der Grünen, wonach alle 18 Verfahren, die
       in den letzten Jahren durch Strafanzeigen von Tierschutzorganisationen
       zustande kamen, eingestellt worden seien.
       
       2 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Friederike Gräff
       
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