# taz.de -- Polizist zum Geordnete-Rückkehr-Gesetz: „Wir sind keine Abschiebepolizei“
> Sven Hüber von der Gewerkschaft der Polizei hat verfassungsrechtliche
> Bedenken gegenüber Gesetzespaket zu Migration und Asyl.
IMG Bild: Abschiebung mit dem Flugzeug (Symbolfoto)
taz: Herr Hüber, bei der Gewerkschaft der Polizei finden Sie es gut, die
Durchsetzung von Abschiebungen zu erleichtern. Trotzdem kritisieren Sie den
Entwurf für das [1][Geordnete-Rückkehr-Gesetz]. Warum?
Sven Hüber: Wir haben zu Teilen des Gesetzentwurfs verfassungsrechtliche
Bedenken. Etwa was die schleichende Ausweitung von Zuständigkeiten der
Bundespolizei angeht. Denn eins muss man mal deutlich klarstellen: Wir sind
nicht die Abschiebepolizei. Das ist Sache der Länder, der Ausländerbehörden
und der Landespolizei. Die Bundespolizei tritt nur als Grenzbehörde in
Erscheinung, so sagt es das Grundgesetz.
Und das soll sich ändern?
Offenbar soll die Bundespolizei auch für die Abholung der Abzuschiebenden
zuständig gemacht werden. Das ist aus unserer Sicht mit dem Grundgesetz
nicht vereinbar. Die Grenze ist nun mal nicht im Inland, sondern an einem
Grenzübergang oder einem Flughafen.
Sie kritisieren auch den Plan, Leistungen für abgelehnte Asylbewerber*innen
zu kürzen. Warum?
Es wird überdeutlich, dass die Verfasser des Gesetzentwurfs einen
Wegekel-Effekt bezwecken. Wir sehen Kürzungen am Existenzminimum aber
kritisch, zumal in einem Land, das dem Sozialstaatsgebot unterliegt.
Warum?
Was ist denn die Folge davon, wenn Sie einem Menschen das Existenzminimum
verweigern? Er muss ja trotzdem existieren. Niemand kann ernsthaft ein
Interesse daran haben, dass zum puren Lebensunterhalt die Diebstahldelikte,
Schwarzarbeit oder Prostitution zunehmen. Dabei ist für uns wenig
interessant, aus welchen Gründen man ans Existenzminimum ranwill. Jemanden
in die Hungerkriminalität zu jagen, kann nicht der Weisheit letzter Schluss
sein.
Der Entwurf beschäftigt sich auch damit, welches Strafmaß eine Abschiebung
rechtfertigt. Sie fordern da mehr Fingerspitzengefühl. Können Sie das
erläutern?
Bei subsidiär Geschützten etwa soll schon die bloße Annahme einer schweren
Straftat zum Entzug des Schutzstatus reichen. Das heißt, da soll eine
Verwaltungseinschätzung die Strafverfolgungsbehörden ersetzen – die
Ausländerbehörde kann also sagen: Den schieben wir gleich ab.
Ohne dass es ein Gerichtsverfahren gab.
Richtig. Eins will ich deutlich machen: Wir stellen uns als Polizei nicht
vor Straftäter, und wir sehen durchaus die Notwendigkeit, bei schweren
Straftaten schneller ausländerrechtlich reagieren zu können. Es muss aber
erst mal geklärt sein, dass eine Person tatsächlich ein schwerer Straftäter
ist. Und diese Entscheidung trifft nicht die Ausländerbehörde und auch
nicht der ermittelnde Staatsanwalt, sondern das Gericht. Der Rechtsstaat
ist manchmal mühselig und dauert vielleicht auch ein bisschen und ist
kostspieliger – aber das ist ein tragender Wert in diesem Land. Und den
wollen wir auch hier durchgesetzt wissen.
Dem Bundesinnenministerium zufolge scheitern Abschiebungen häufig, weil die
Polizei die Abzuschiebenden nicht antrifft. Deshalb soll die Abschiebehaft
ausgeweitet werden. Hilft das?
Ob so eine Überraschungs-Ingewahrsamnahme hilfreich ist, da haben wir
unsere Zweifel. Zumal man gar nicht belastbar weiß, warum jemand nicht
angetroffen wird. Die Kollegen fahren hin und stellen fest: Er ist nicht
da. Vielleicht ist er abgetaucht, vielleicht nur im Nebenzimmer. Vielleicht
ist er aber auch schon freiwillig zurückgekehrt oder in ein anderes EU-Land
ausgereist. [2][Da braucht es mehr Klarheit.]
Aus Platzmangel sollen Betroffene in regulären Justizvollzugsanstalten
(JVA) untergebracht werden können. Sie lehnen das ab. Warum?
JVAs sind keine Orte für Abschiebegewahrsam. Abgeschoben zu werden ist
keine Straftat. Die Vorstellung, dass da Familien in Zellen sitzen und
nebenan Straftäter sind, ist aus unserer Sicht nicht mit der Menschenwürde
vereinbar. Das wollen wir nicht.
6 Jun 2019
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## AUTOREN
DIR Dinah Riese
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