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       # taz.de -- Berlin dekolonialisieren: Nicht bloß ein Label
       
       > Die Grünen diskutieren über postkoloniale Erinnerungskultur. Am Montag
       > ging es um Herausforderungen im Kulturbetrieb.
       
   IMG Bild: Kunst aus Kamerun im Stuttgarter Linden-Museum
       
       Berlin taz | Berlin soll endlich Verantwortung für die koloniale
       Vergangenheit der Stadt übernehmen. Und um der Stadtgesellschaft dabei auf
       die Sprünge zu helfen, regen die Grünen schon mal ein paar Debatten an.
       Gemeint sind diese als Impuls dafür, wo man denn mit dem Dekolonialisieren
       am besten loslegen könnte.
       
       Am Montagabend ging es dabei in der Galerie Savy Contemporary in Mitte um
       den kulturellen Sektor. Vertreter*innen von Kultureinrichtungen sehen sich
       hierbei, das machten die Redner*innen auf dem Podium schnell deutlich, vor
       ganz unterschiedlichen Herausforderungen.
       
       Der zeitgenössische Kunst- und Kulturbetrieb müsse aufpassen, dass
       postkoloniale Ansätze und Dekolonisation nicht zur bloßen Geste werden, zum
       Label einer hippen Ausstellung oder Veranstaltung, die alle Theater oder
       Galerien, die etwas auf sich halten, jetzt auch mal gemacht – und damit
       abgehakt – haben. „Das reicht nicht“, sagte Bonaventure Soh Bejeng Ndikung
       von Savvy Contemporary, denn Dekolonisation sei keine temporäre Sache,
       sondern eine Haltung und eine Praxis über längere Zeit.
       
       Seine Galerie fordert Berliner*innen auf, auf ihren Dachböden einen
       Gegenstand zu suchen, der etwas mit der kolonialen Vergangenheit
       Deutschlands zu tun hat. Etwa ein Fotoalbum. Er lade dann Künstler*innen
       ein, sich mit diesen Gegenständen und der Frage, was sie mit den Menschen
       in Berlin heute noch zu tun hätten, auseinanderzusetzen.
       
       ## Museen entlarven
       
       Inés de Castro, Leiterin des ethnologischen Linden-Museum in Stuttgart,
       will Museen entlarven: was dort gezeigt werde, sei eben gerade nicht
       objektiv. Sie erzählt von Diskussionen um neue Ankäufe. „Ein Kunstwerk aus
       Kamerun etwa wird wie selbstverständlich über das Herkunftsland gelabelt
       und in eine ethnografische Sammlungen gesteckt, während bei Picasso niemand
       fragt, ob er französisch oder spanisch ist.“ Andere strukturelle Probleme
       sind eher praktischer Art: Ihr Museum schreibt alle Kurator*innenstellen
       weltweit aus, kann internationalen Interessent*innen aber oft keinen
       adäquaten Vertrag anbieten.
       
       Ob sie darüber nicht hiesige Kunstschaffende vergesse, von denen viele
       einen Erfahrungshorizont in verschiedenen Herkunftskulturen mitbringen
       würden, erwidert ihr Sandrine Micossé-Aikins von Diversity Arts Culture –
       Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung. Unterton: Ist das
       vielleicht ein neuer Exotismus, sich mit Kurator*innen-Namen aus aller Welt
       zu schmücken, während schwarze Kunst-Aktivist*innen, die postkoloniale
       Prozesse angestoßen haben, leer ausgehen?
       
       Natürlich, auch diese Bewerber*innen berücksichtige sie, nickt de Castro.
       Aber guckt sie dabei nicht auch ein bisschen ertappt?
       
       Mit Aktivist*innen hätte auch Paul Spies von der Stiftung Stadtmuseum gern
       zusammengearbeitet. Er gestaltet im Humboldt-Forum die Ausstellung zu
       Berlin und der Welt und will dabei auch den Rassismus in der Sammlung
       selbst sichtbar machen. Angesichts der Geschichte des Humboldt-Forums
       äußert er allerdings Verständnis für die „vielen freundlichen Absagen“, die
       er sich aus Berlins postkolonialer Szene eingefangen habe.
       
       28 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uta Schleiermacher
       
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