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       # taz.de -- Klimakabinett legt Vorschläge vor: Viel fördern, wenig fordern
       
       > Erstmals liegen konkrete Vorschläge vor, wie die CO2-Ziele für 2030 zu
       > erreichen sind. Doch die Umweltministerin hat einen schweren Stand.
       
   IMG Bild: Der Verein Campact findet, die Union bewege sich zu wenig beim Klimaschutz
       
       Berlin taz | Am 441. Tag ihrer Amtszeit hat die Bundesregierung zum ersten
       Mal konkret darüber beraten, wie das Klimaziel für 2030 zu erreichen wäre.
       Bei der Sitzung des Klimakabinetts dem die Ministerien für Verkehr, Bauen,
       Landwirtschaft, Umwelt, Wirtschaft und Finanzen angehören, haben die
       Minister ihre Vorschläge für CO2-Reduzierungen auf den Tisch gelegt.
       
       „Wir werden jetzt schauen müssen, ob diese Maßnamenpläne ausreichen, um
       unsere Ziele auch für die einzelnen Jahre zu erreichen“, sagte
       Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch. „Ich bin froh,
       dass wir endlich im Arbeitsmodus sind.“ Bis September will das Kabinett die
       Maßnahmen beschließen.
       
       Die Ministerien für Verkehr, Bauen und Landwirtschaft hätten „alle
       Maßnahmen vorgestellt“, wie ihre Reduktionsziele erreicht werden sollen, so
       Schulze. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) legte eine umfassende Liste
       vor, die bis 2030 insgesamt die erforderlichen 55 Millionen Tonnen
       einsparen soll. Auf der Liste, die der taz vorliegt, stehen mehr
       steuerliche Förderung für Elektroautos, der Bau der Ladeinfrastruktur,
       Unterstützung für saubere Lkw und eine „CO2-Differenzierung der Lkw-Maut“.
       
       Es soll vor allem mehr Geld geben: Für neue Busse und Bahnen, Radverkehr,
       alternative Antriebe, für mehr Güter auf der Schiene und für
       Forschungsvorhaben. „Wir haben mehr als 50 konkrete Maßnahmen, um die
       Klimaziele zu erreichen“, sagte Scheuer, „Wir wollen erlauben, erleichtern
       und ermöglichen und nicht verbieten, verteufeln und verteuern.“
       
       ## Sanierungen von der Steuer absetzen
       
       Auch die anderen Häuser legten ihre Pläne vor: Im Gebäudebereich schlägt
       Bauminister Horst Seehofer (CSU) vor, die steuerliche Absetzbarkeit von
       energetischen Sanierungen zu verbessern. Ein ähnlicher Vorschlag war 2015
       daran gescheitert, dass Bayern unter der Führung von Horst Seehofer ihn
       ablehnte, weil er weniger Steuereinnahmen gebracht hätte. Nun will der Bund
       dafür eine Milliarde zur Verfügung stellen.
       
       Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) ging mit den gleichen 10 Maßnahmen in
       das Treffen, die sie auch schon vorher vorgelegt hatte. Darin enthalten
       sind etwa die Senkung von Emissionen in der Tierhaltung und die vermehrte
       Nutzung von Tierdung in Biogasanlagen. Zudem will das Ministerium
       Dauergrünland und Wälder erhalten sowie Moorböden schützen.
       
       Nun beginnt das große Rechnen, wie viel die einzelnen Vorschläge
       realistisch an Reduktionen bringen. „Wir dürfen uns kein X für ein U
       vormachen lassen“, sagte Schulze. Unabhängige Experten sollten die
       Vorschläge auf ihre Substanz abklopfen. „Ich sehe mich in der Rolle, weiter
       Druck zu machen.“
       
       Für diese Rolle hatte sie allerdings vom Kanzleramt einen kräftigen Rüffel
       einstecken müssen. Weil Schulze den schon lange intern vorgelegten Entwurf
       des Klimaschutzgesetzes an den anderen Ministerien vorbei [1][am Beginn der
       Woche veröffentlicht hatte], kam aus dem Kanzleramt am Dienstag eine knappe
       E-Mail ans Umweltministerium, die der taz vorliegt. Darin heißt es: „Das
       Bundeskanzleramt widerspricht der Einleitung der Ressortabstimmung, der
       Versendung an Länder und Verbände sowie der Veröffentlichung im Internet.
       Wir werden zu dem Entwurf keine weitere Stellungnahme abgeben.“ Unklar ist,
       ob das Kanzleramt sich damit nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung
       verhält.
       
       ## Finanzieren müssen die Steuerzahler
       
       Die Reaktionen auf die Klimaschutz-Vorschläge der Ministerien sind
       größtenteils kritisch. Der Direktor des Thinktanks „Agora Verkehrswende“,
       Christian Hochfeld, lobt zwar, dass es nun eine Liste mit konkreten
       Vorschlägen gibt. „Es handelt sich allerdings ausschließlich um Maßnahmen,
       die zu Lasten der Steuerzahler gehen“ kommentiert Hochfeld. „Wir vermissen
       ein verursachergerechtes Finanzierungskonzept. Ohne Preissignale, die
       klimaschädlichen Verkehr unattraktiver machen, drohen die angegeben
       CO2-Verminderungspotenziale sich als Luftbuchungen zu erweisen.“
       
       Ein Appell an die Bundesregierung, den Kohleausstieg schnellstmöglich
       umzusetzen, kam von der Naturschutzorganisation WWF. AktivistInnen
       übergaben den Mitgliedern des Klimakabinetts eine Petition, die mehr als
       eine Viertel Millionen Menschen unterzeichnet hatten.
       
       Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, forderte einen
       raschen Kohleausstieg und warf der Regierung mangelndes Engagement vor. Die
       Bürgerinnen und Bürger wollten mehr Klimaschutz: „Noch am Sonntag nach der
       Klimawahl waren die Klima-Ankündigungen mal wieder groß, doch heute gibt es
       nur einen vagen Verweis auf eine Grundsatzentscheidung im Herbst. Das
       überzeugt nicht.“ Zusätzlich fordert Hofreiter einen CO2-Preis, damit sich
       klimaschonendes Verhalten lohne.
       
       Die nächste Sitzung für das Klimakabinett ist für Juli anberaumt. Bis Ende
       des Jahres will die Regierung die notwendigen gesetzlichen Regelungen
       verabschieden. Darin soll festgeschrieben werden, wie das nationale
       Klimaziel von 55 Prozent weniger Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 bis
       2030 erreicht werden kann.
       
       29 May 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Vorgaben-fuer-mehr-Klimaschutz/!5595512
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
   DIR Julia Springmann
       
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