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       # taz.de -- Kolumne Frauen-WM: Mediterranes Knattern
       
       > Bis auf angetrunkene Schottinnen verirren sich kaum Menschen bis zum
       > Stadion in Nizza. Die Einheimischen kommen gar nicht.
       
   IMG Bild: Liegt etwa 1,5 Kilometer entfernt von der letzten Bushaltestelle: das Stadion in Nizza
       
       Nizza hat die Fähigkeit, eine Frauen-WM zu verschlucken. Strand und
       azurblaues Meer, italienisches Flair mit dröhnenden Mopeds, die meine
       Wohnung nachts klingen lassen, als läge sie über dem Nürburgring. Eine
       gewisse Laissez-faire-Haltung und ein Stadion, das eineinhalb Fußkilometer
       von der letzten regulären Bushaltestelle entfernt liegt, zwischen
       heruntergekommenen Wohnwagenparks und einer geschlossenen Hundepension.
       Nicht so erstaunlich, dass außer den angereisten Briten kaum jemand
       hierherfindet.
       
       Das Polizeiaufgebot am Stadion ist heftig: Vier Mal wird die Laptop-Tasche
       durchsucht, alle paar Meter stehen Jungs mit Waffe, die allerdings
       aussehen, als wüssten sie nicht so ganz, warum man sie abkommandiert hat.
       Es gibt sie doch, die französische Sicherheitsparanoia, dabei sind hier nur
       singende Schottinnen mit Schlagseite unterwegs. Schade, dass sie bald nach
       Hause fahren.
       
       Die einheimische Bevölkerung ist weggeblieben. Der britische Guardian
       berichtet, die Franzosen seien enttäuscht, weil es die Tickets nur über den
       Onlineverkauf der Fifa und nicht direkt am Stadion gab. So sorgt auch der
       Datenkontrollwahn der Fifa für maue Kulisse.
       
       Nizza erscheint mir als Stadt sozialer Gegensätze, mit teuren
       Einkaufspassagen und Strandkleid-Flaneurinnen, mit allgegenwärtiger
       Obdachlosigkeit und rund ums Stadion mit Armut. Im Zentrum teile ich mir
       eine Wohnung mit einem Kroaten, der in Nizza arbeitet und studiert – und
       einer Italienerin, die herausfinden will, was sie als Nächstes macht.
       
       ## Durchwachsen – wie bei den Männern
       
       Die WM berührt sie so wie die Frage, was es in Berlin zum Frühstück gibt.
       „Bist du von der Bild-Zeitung?“, fragt der Kroate höflich. Ich suche kurz
       nach Ironie, höre keine und verneine. Ob die Deutschen Favoritinnen seien?
       Schon, aber das erste Spiel war durchwachsen, sage ich. „Ah“, sagt er
       zufrieden, „also wie bei den Männern.“
       
       Kroatien werde überrannt von deutschen Touristen, berichtet mein
       Wohnungsgenosse, jeder lerne Deutsch, gerade deshalb, sagt er stolz, habe
       er sich für Französisch entschieden. Man finde damit zwar weniger Jobs,
       aber könne mit der Welt kommunizieren.
       
       Im Zentrum ist schon am Abend nach dem Spiel alles der üblichen
       Touri-Stimmung gewichen. Nur manchmal hört man Väter und Töchter über die
       Ausführung der englischen Eckbälle diskutieren und weiß: die WM ist noch
       da. Die Fans sind jetzt bloß Strandkleid-Flaneurinnen.
       
       10 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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