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       # taz.de -- Die Wahrheit: Brummnudeln über Kieswüsten
       
       > Warum ist ausgerechnet die Biene zum Sympathieträger geworden? Mit
       > Schutzmaßnahmen für das hinterhältige Tier wird das Landvolk
       > terrorisiert.
       
   IMG Bild: Bienen in Bayern haben hoffentlich (bald) ein schönes Leben
       
       Manchmal hilft es schon, sich rarzumachen, um zum Star zu werden. Andrea
       Nahles mag man lieber, seit sie von ihrem Job als Pippi Langstrumpf des
       Bundestags zurückgetreten ist. Angela Merkel wird nach ihrer Rückkehr in
       die Uckermark mit Sicherheit heilig gesprochen werden. Gerhard Schröder –
       nee, warte mal, falsches Beispiel.
       
       In meiner Kindheit waren Bienen lästig. Auch dass sie ihr Leben beim
       Stechen opferten wie die deutsche Wehrmacht, hat sie niemandem
       sympathischer gemacht. Man trat barfuß im Schwimmbad in die pummeligen
       Insekten, die dann erbarmungslos zustachen. Falls man sie am Beckenrand
       verfehlte, lauerten sie später an der Schaukel und piekten kleine Mädchen
       in den Hinterkopf. Dann verendeten sie eklig und mussten aus den Zöpfen
       gefummelt werden.
       
       Wie konnte es diese hässliche, aggressive Brummnudel zum Öko-Star 2019
       schaffen? Bestimmt, weil sie sich neuerdings seltener sehen lässt, aber der
       Deutsche seine Obstbäume nicht selbst mit dem Wattestäbchen bestäuben
       möchte. Ja, Faulheit könnte ein Grund sein.
       
       Unsere Lokalzeitung terrorisiert die Leserschaft neuerdings mit
       Blumensamen-Verkaufsaktionen. Auf städtischen Grünflächen wird zum
       kollektiven Umgraben mit dem Bürgermeister aufgerufen, während meine
       Nachbarn ihre Vorgärten andererseits in trübe Kieswüsten verwandeln, auf
       denen solitäre Exoten ihr trauriges Lied singen und vergeblich darauf
       warten, dass mal japanische Insekten vorbeikommen, die auf sie stehen.
       
       Selbst mein dörflicher Supermarktleiter, der mir bisher keinen Anlass gab,
       ihn für die Speerspitze der Ökosensibelchen zu halten, redet plötzlich auf
       harmlose Opis mit großen Grundstücken ein, dass doch niemand 600
       Quadratmeter englischen Rasen brauche. Da könne doch eine Blumenwiese hin!
       Eigentlich wollten die Opis bloß ihre Tagesration Weinbrand kaufen, jetzt
       wiegen sie bedenklich das Haupt.
       
       Haha, höhnt dagegen der Gartenarchitekt meines Vertrauens. Die Leute legen
       Blumenwiesen an und denken, die Natur regelt dann schon den Rest. Aber so
       eine ökologisch korrekte Bienenweide muss man jedes Jahr neu anpflanzen,
       sonst hat man da bloß Unkraut.
       
       Meinem Garten sieht man meine stille Hoffnung an, dass „bloß Unkraut“ auch
       für irgendwas gut sein könnte. Die alten Römer sollen sich ja hauptsächlich
       von Giersch ernährt haben und wären bei mir jederzeit zu einem ausgiebigen
       Festmahl willkommen. Die gemeine Biene lässt der Giersch leider kalt.
       Immerhin summt es im blühenden Salbeibusch, aber der allein kann auch nicht
       alle meine Versäumnisse auf dem Bienenmast-Sektor ausgleichen.
       
       Deswegen kommt nun mein Stromanbieter und will mir seinen „Blühstrom“
       andrehen. Der alte Ökostromtarif wird eingestellt, beim neuen darf ich
       dafür einen Cent pro Kilowattstunde für Blumenwiesen spenden. Für die
       Bienen! Was mit den anderthalb Cent ist, die außerdem aufgeschlagen wurden,
       verraten die Insektenfreunde aber nicht.
       
       12 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Fischer
       
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