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       # taz.de -- Dokumentation über das Musikgeschäft: Drogen statt Jugend
       
       > Die Musikerin Uffie war in den 2000er-Jahren ein großer Myspace-Hype.
       > „Fuck Fame“ erzählt ihre Geschichte als Psychogramm eines Internetstars.
       
   IMG Bild: Mit dem Ruhm kam der Absturz
       
       Die strähnig blonden kurzen Haare schön verwuschelt, der Lippenstift
       verrutscht aufgetragen, noch rasch die Nägel fahrig lackiert – fertig für
       die Bühne. Die Musikerin Uffie ist zu Beginn des Films bei einem Auftritt
       zu sehen, der zunächst wunschgemäß zu verlaufen scheint. Das Publikum
       skandiert ermunternd „Uf-fie, Uf-fie, Uf-fie!“, nach der absolvierten Show
       scheint sich die Gefeierte ein wenig selbst zu feiern. So sehr, dass sie am
       Boden liegen bleibt und auch von den anderen Anwesenden nicht zum Aufstehen
       bewegt werden kann. Im nächsten Bild erscheint ein Krankenwagen, Uffie wird
       auf eine Bahre verfrachtet und unter den teils begeisterten Rufen der
       draußen wartenden Fans abtransportiert.
       
       „Fuck Fame“ von Lilian Franck und Robert Cibis ist ein Musikerporträt, in
       dem es weniger um Musik als um die abgründigen Seiten des Musikgeschäfts
       geht. Anna Hartley, so Uffies bürgerlicher Name, ist dabei ein besonderer
       Fall. Sie hatte so ziemlich alle denkbaren Abstürze, suchtmittelbedingt und
       psychisch, hinter sich, und das mit Anfang zwanzig. Vor allem aber lebt
       sie, anders als Kolleginnen wie Amy Winehouse, nach wie vor.
       
       Die Filmemacher Lilian Franck und Robert Cibis warfen schon in ihrem
       Dokumentarfilm „Pianomania“ von 2010 einen ungewöhnlichen Blick auf den
       Musikbetrieb. Darin folgten sie dem Klavierstimmer Stefan Knüpfer, der für
       Steinway & Sons die Instrumente von Virtuosen wie Lang Lang und
       Pierre-Laurent Aimard betreut, durch den Berufsalltag. Man erfuhr unter
       anderem, dass Stimmer nicht allein für saubere Töne, sondern auch für den
       spezifischen Klang eines Instruments mitverantwortlich sind. Und dass
       Künstler mit ihren spezifischen Bedürfnissen ihrem Umfeld einiges an Geduld
       abverlangen können.
       
       „Fuck Fame“ zeichnet sich durch die Direktheit seiner Protagonistin aus.
       Uffie spricht sehr offen und sehr reflektiert über ihren Weg und die sehr
       vielen Stolpersteine darauf. Dass sie es schon als Kind in Florida nicht
       leicht hatte, gibt sie in einem kurzen Abriss ihres Lebens zu erkennen. Die
       Eltern trennten sich früh, auf den anfänglichen Wohlstand folgte für das
       Kind, das mit der Mutter zurückblieb, ein sozialer Abstieg. Hartley
       entwickelte sich von einer Vorzeigeschülerin zum jugendlichen Problemfall,
       begann sich in Drogen zu flüchten.
       
       Uffie ist nicht von Hartley zu trennen 
       
       Als der Vater nach Paris zieht, folgt sie ihm dorthin. Erfreut sich seiner
       großzügigen Wohnung und der Tatsache, dass er oft beruflich unterwegs ist.
       Sie beginnt das Nachtleben zu erkunden, lernt den Musiker DJ Feadz kennen.
       Er wird ihr Freund und ermuntert sie, mit ihm Musik zu produzieren. Ihren
       ersten Song „Pop the Glock“ veröffentlicht sie 2005 auf Myspace.
       Electropop nennt sich die Mischung aus Techno, Synthiepop und HipHop, mit
       der die gerade mal 18-Jährige sofort einen Hit landet.
       
       Uffie erzählt aus der Rückschau, wie sie in einen Zirkus aus Touren,
       Drogenexzessen und gefährlicher Körperverletzung gerät – sie berichtet
       etwa, wie sie mit einem Freund versuchte, sich gegenseitig zu tätowieren,
       weil sie spät nachts kein offenes Tattoo-Studio finden konnten. Der Freund
       musste die auf diesem Weg zugefügte Wunde anschließend nähen lassen. Uffie
       selbst präsentiert in einer Archivszene einen tiefen Schnitt in ihrem
       Oberarm, der ihr von dieser Eingebung blieb, im Off-Kommentar erwähnt sie
       übergangslos ihre Probleme mit Cutting.
       
       Der Film konzentriert sich dann auf Hartleys Auszeit von ihrer
       Uffie-Karriere zwischen 2011 und 2017. Sie zog nach Berlin, besuchte
       Tanzkurse, probierte spirituelle Séancen mit Freundinnen und begann eine
       Therapie beim Neurobiologen und Psychologen Niels Bierbaumer, den sie
       eigens in Tübingen aufsucht. Bierbaumer scheint ihr allerdings nur
       eingeschränkt helfen zu können.
       
       Uffie beziehungsweise Hartley hat ohnehin eine sehr klare Vorstellung
       davon, was bei ihr nicht stimmt. Eines der Grundprobleme sieht sie gleich
       in ihrer Arbeit. Während andere in Büros irgendwelchen Tätigkeiten
       nachgehen und anschließend in den Feierabend entlassen werden, ist ihre
       eigene Arbeit „sie selbst“. Uffie ist für sie kein reines Kunstprodukt,
       sondern von ihrem übrigen Ich, ihrem Leben nicht zu trennen. Auch ihrer
       selbstzerstörerischen Neigungen ist sie sich sehr bewusst. Und dessen, wie
       der Musikbetrieb läuft. Sie bringt diese sehr grundlegenden Einsichten über
       den Wahnsinn ihrer „Berufswahl“ ohne unnötige Ausschmückungen auf den
       Punkt, ist in ihrer Analyse so energisch und hart wie bei ihren Exzessen.
       Allerdings beschränkt sich der Film auf ihre Sicht, andere Stimmen kommen
       nicht zu Wort.
       
       Mit Anfang zwanzig bekam Hartley eine Tochter, ungeachtet ihres extremen
       Lebensstils. Es sollte nicht ihr einziges Kind bleiben. Dass die Beziehung
       zur Tochter unter den ständigen Touren und deren Begleitumständen leidet,
       deutet der Film knapp an. Dass sie darunter leidet, sich selbst als
       schlechte Mutter zu empfinden, artikuliert Hartley gleich mit.
       
       Bleibt die Frage, warum der Film jetzt in die Kinos kommt. Als
       Charakterstudie und Beobachtung der weniger erfreulichen Aspekte des
       Musikerdaseins, vor allem als Frau, ist „Fuck Fame“ zwar einigermaßen
       zeitlos. Andererseits ist im Februar Uffies EP „Tokyo Love Hotel“
       erschienen, die erste längere Veröffentlichung nach ihrem bisher einzigen
       Album „Sex Dreams and Denim Jeans“ von 2010. Wird da womöglich ein Comeback
       vorbereitet?
       
       13 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tim Caspar Boehme
       
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