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       # taz.de -- Kommentar Nahles-Rücktritt: Mission impossible
       
       > Von Nahles werden weniger inhaltliche Fehler als ihre Performance in
       > Erinnerung bleiben. Auch das ist Ausdruck einer machistisch geprägten
       > Partei.
       
   IMG Bild: Geht als Fraktionschefin und Parteivorsitzende von Bord: Andrea Nahles
       
       155 Jahre hat es gedauert, bis die SPD eine Frau an ihrer Spitze hatte,
       etwas mehr als ein Jahr war Andrea Nahles ihre Chefin. Viel Zeit hatte sie
       nicht, einen Laden, den Männer zugrunde gerichtet haben, wieder aufzubauen.
       In der Wissenschaft gibt es für Situationen wie diese ein Wort: Das
       Phänomen „Glasklippe“ beschreibt, dass Frauen in Krisenzeiten sowohl in
       Unternehmen als auch in der Politik wahrscheinlicher höhere Positionen
       bekommen als in Zeiten der Stabilität. Damit einher geht, dass die
       Wahrscheinlichkeit ihres Scheiterns steigt.
       
       Nun ist die Trümmerfrau Andrea [1][Nahles gescheitert], sie gesteht es ein,
       in sachlicher Verantwortung und zumindest nach außen ohne Verbitterung. Sie
       hat Fehler gemacht, offensichtlich: Sie hatte dem Bild einer SPD, die ihre
       eigenen Werte verrät und sich zugunsten von Machterhalt bis zur
       inhaltlichen Unkenntlichkeit [2][an die Union] verkauft, nichts entgegen zu
       setzen. Sie wollte Martin Schulz trotz Wortbruchs zum Außenminister machen.
       Unter ihr wurde Maaßen befördert. Und den 219a zu verschärfen, war unter
       Nahles eine frauenpolitische Bankrotterklärung der Partei.
       
       Doch von Nahles werden weniger inhaltliche Fehler als ihre Performance
       hängen bleiben – und das ist ein Problem. Denn poltern oder anecken dürfen
       zwar Schröder („Basta“), Gabriel oder Steinbrück, dem der Mittelfinger mit
       mildem Lächeln durchgewunken wurde. Bei einer Frau wie Nahles ist das
       anders. „Der einzige Mann in der SPD-Führung“, hieß es in der FAZ,
       oberflächlich anerkennend, unterschwellig vernichtend. Ein „Organ wie eine
       Kreissäge“, schrieb die Bild. Ihre polternde Breitbeinigkeit, ihr lautes
       Lachen, ihre Schroffheit: All das sind männliche Attribute, die einer Frau
       im politischen Habitus nicht zustehen. Und anders als bei Männern ist der
       Ton der Kritik daran schnell höhnisch, hämisch, ätzend.
       
       Jetzt, im Nachhinein, ist von Scham über den Umgang mit ihr die Rede, von
       schändlichem Verhalten. „Da werden Verhaltensweisen kritisiert, die man bei
       keinem Mann kritisieren würde“, sagte Olaf Scholz am Sonntag bei Anne Will.
       
       Was von Frauen auch und gerade in der Politik noch immer erwartet wird,
       sind Lächeln, Fürsorglichkeit und freundliche Aufmerksamkeit. Katarina
       Barley, Franziska Giffey oder Manuela Schwesig bedienen dieses Muster
       bisher weitgehend. Andrea Nahles tat es nicht. Und spätestens, seit sie
       ganz oben mit spielte, wurde sie sowohl von ihrer Partei als auch von
       einigen Medien dafür bestraft.
       
       Nahles' Rücktritt liegt nicht nur daran, dass sie in einer
       frauenfeindlichen Umgebung Politik gemacht hat. Aber gerade in einer so
       machistisch geprägten Partei wie der SPD hatte sie es zweifellos schwerer
       als es männliche Kollegen in derselben Situation gehabt hätten. Dass sich
       die [3][SPD neu erfinden] muss, sollte sie nicht vollends in der Versenkung
       verschwinden wollen, steht außer Frage. Sie täte gut daran, auch an ihrem
       Umgang mit Frauen zu arbeiten.
       
       3 Jun 2019
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Patricia Hecht
       
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