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       # taz.de -- Abstimmung bei Volkswagen Tennessee: Mehr Rechte für VW-Arbeiter in USA
       
       > Die Fabrik im US-Staat Tennessee hat als einzige von weltweit 50
       > VW-Produktionsstätten keine gewerkschaftliche Vertretung. Das könnte sich
       > jetzt ändern.
       
   IMG Bild: Vielleicht bald mit Betriebsrat: Arbeiterinnen im VW-Werk in Tennessee
       
       New York taz | Unter massivem politischem Druck entscheiden in dieser Woche
       1.700 Beschäftigte von Volkswagen in Chattanooga, Tennessee, ob sie eine
       gewerkschaftliche Vertretung haben wollen. Noch bis zum Freitag dauern die
       dreitägigen Wahlen, die darüber entscheiden, ob die Gewerkschaft United
       Auto Workers (UAW) künftig die Interessen der Arbeitnehmer vertreten soll.
       [1][2014 war ein ähnliches Vorhaben gescheitert.]
       
       Wie die Wahl dieses Mal ausgeht, ist völlig unklar. Der Gouverneur und
       andere republikanische Politiker im Bundesstaat Tennessee mischen sich von
       außen ein: Gewerkschaften seien „schlecht für die Wirtschaft“. Im Werk
       warnen Vorarbeiter die Beschäftigten, die Anwesenheit der UAW könne ihre
       Jobs kosten. Außerdem machen Plakate am Straßenrand sowie Radio- und
       Fernsehspots Stimmung gegen die Gewerkschaft.
       
       Bloß der Volkswagen-Konzern behauptet von sich selbst, er sei „neutral“.
       Konzernsprecher Pietro Zollino erklärte auf Anfrage der taz schriftlich,
       dass er deswegen auch von „offizieller Kommunikation“ absehen werde.
       Allerdings legte er seiner Antwort einen Link zu einer „Informationsseite“
       des Konzerns bei, auf der VW seine Beschäftigten warnt, dass sie eine
       einmal gewählte Gewerkschaft nicht ohne Weiteres loswerden können. Außerdem
       weist VW darauf hin, dass Löhne auch sinken können: „Wir ziehen es vor,
       unsere direkte Beziehung (zu den Beschäftigten) fortzusetzen.“
       
       Chattanooga ist die einzige VW-Fabrik in den USA. Und weltweit die einzige
       der 50 Produktionsstätten, die keine gewerkschaftliche Vertretung hat –
       abgesehen von den chinesischen Werken, in denen sich die
       Arbeitnehmervertreter der KP allerdings wenig um die Rechte der
       Beschäftigten kümmern. In Chattanooga gibt es weder Tarifverhandlungen über
       Löhne noch über die Geschwindigkeit der Fließbänder oder über Pausenregeln.
       Im Vergleich zu den nächstgelegenen gewerkschaftlich organisierten
       Autofabrik von General Motors verdienen die Beschäftigten durchschnittlich
       8 Dollar weniger die Stunde. Im Vergleich zu den Bedingungen für
       VW-Beschäftigte in Deutschland scheinen die 12 Urlaubstage in den ersten
       Betriebsjahren in Chattanooga (bezahlte Krankentage inklusive) erbärmlich.
       
       ## Werk in Boomregion
       
       Das will die Gewerkschaft UAW ändern. „Es ist nicht einzusehen, dass die
       Volkswagen-Beschäftigten hier anders behandelt werden als im Rest der
       Welt“, sagt UAW-Sprecher Brian Rothenberg. Diese Ansicht teilt auch der
       Betriebsrat der Konzernzentrale in Wolfsburg. Um eine
       „gewerkschaftsbasierte betriebliche Interessenvertretung“ am Standort
       Chattanooga zu erreichen und um die Wahl zu beobachten, ist der
       Generalsekretär des Weltkonzernbetriebsrats, Johan Järvklo, nach
       Chattanooga gereist.
       
       Das Werk liegt mitten in einer Boomregion der USA. Während der Norden des
       Landes, wo einst die „Big Three“ [2][Ford, GM und Chrysler Autos bauten],
       vor sich hin rostet, hat der Süden zahlreiche ausländische Konzerne
       angezogen. Tennessee und die Nachbarbundesstaaten haben sie mit
       Steuernachlässen und Subventionen, vor allem aber mit dem Versprechen
       niedriger Löhne und der Abwesenheit von Gewerkschaften gelockt.
       
       Die UAW, die mit der alten Autoindustrie zwei Drittel ihrer Mitglieder
       verloren hat, versucht bislang vergeblich, diese Belegschaften zu
       organisieren. „Die Leute im Süden sind nicht gewerkschaftsfeindlich“,
       erklärt UAW-Experte Richard Bensinger, „aber alle kennen die
       unausgesprochene Wahrheit, dass die Unternehmen gekommen sind, um
       Gewerkschaften zu vermeiden. Und sie haben Angst, dass die Unternehmen
       wieder gehen, falls die Gewerkschaften kommen.“
       
       ## Verhärtete Fronten
       
       In Chattanooga ist 2014 ein erster Anlauf zur gewerkschaftlichen Vertretung
       bei VW knapp gescheitert. [3][Schon damals machten republikanische
       Politiker gegen die UAW Stimmung.] Seither haben sich die Fronten verhärtet
       – sowohl in Chattanooga als auch in Washington. Volkswagen nimmt inzwischen
       die Dienste der auf Gewerkschaftsbekämpfung spezialisierten Anwaltskanzlei
       Littler Mendelson in Anspruch. Und Präsident Donald Trump hat die Behörde,
       die über die „Arbeitsbeziehungen“ wacht, mit erklärten Gewerkschaftsgegnern
       besetzt.
       
       Als die UAW im April ihre Absicht kundtat, neue Wahlen in Chattanooga zu
       organisieren, reagierten VW, seine Anwälte und die örtlichen Politiker mit
       vereinten Kräften. Gouverneur Bill Lee kam zu einer Betriebsversammlung ins
       Werk und mahnte die Belegschaft, der paternalistische Stil seines
       Großvaters sei der beste. VW setzte dann eine Verschiebung der Wahlen
       durch. Und: Die Vorarbeiter bei VW wurden mit Argumenten gefüttert, um die
       Beschäftigten bei den Versammlungen im Betrieb vor der UAW zu warnen. Die
       gewerkschaftsnahe Zeitung Labor Notes hat sogar Spickzettel gefunden, auf
       denen steht, dass die UAW die Industrie zerstöre und ihre Mitglieder
       bevormunde.
       
       „Wir sind optimistisch“ sagt UAW-Sprecher Rothenberg. Sollte die
       Gewerkschaft bei der Stimmauszählung in Chattanooga tatsächlich eine
       Mehrheit erzielen, wäre das ein Aufbruchsignal. Andernfalls bleibt der
       US-amerikanische Süden ein Billiglohngebiet in einem der größten
       Absatzmärkte der Welt.
       
       13 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /VWler-stimmen-ueber-Betriebsrat-ab/!5048767
   DIR [2] /General-Motors-streicht-tausende-Stellen/!5554103
   DIR [3] https://www.boeckler.de/46892_46907.htm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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