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       # taz.de -- Buch über die Erdgeschichte: Zusammenspiel der Kräfte
       
       > Nichts weniger als das: Der Astrobiologe Lewis Dartnell schreibt in
       > seinem neuen Buch die Erdgeschichte auf. Von Klima, Geologie und
       > Meeresströmungen.
       
   IMG Bild: Kalkstein besteht aus Meerestierschalen – heute werden damit hochwertige Wände gebaut
       
       Ein Buch zu schreiben über die gesamte Menschheitsentwicklung ist ein
       mutiges Unterfangen. Lewis Dartnell geht weiter: Er bezieht auch noch die
       gesamte Erdgeschichte ein und zeigt, wie Geologie, Klimabedingungen,
       Meeresströmungen und Winde unsere Spezies geprägt haben. Das ist spannend
       zu lesen, weil der Autor die Zusammenhänge verständlich präsentiert und mit
       vielen Beispielen belegt. Allein die fehlende Chronologie der Darstellung
       führt manchmal zu dem Gefühl, in einer Achterbahn zu sitzen.
       
       Lässt man Milliarden Jahre Erdgeschichte zusammenschnurren, dann reißen
       Erdteile permanent irgendwo auseinander oder krachen zusammen, wodurch sich
       Gebirge auffalten, erodieren und in Flusstälern für fruchtbare Erde
       sorgen. Vulkanismus, kosmische Einflüsse und die Entwicklungen der belebten
       Natur verändern das Klima, sodass der Meeresspiegel steigt oder sinkt.
       
       Wir verdanken unsere Entstehung einer sehr bewegten Erdphase, die in
       Ostafrika zwischen dem heutigen Äthiopien und Mosambik vor 30 Millionen
       Jahren ein breites, tiefes Tal schuf. Das lag aufgrund einer neu
       entstandenen Bergkette im Regenschatten, sodass der Dschungel abstarb und
       einer Savanne Platz machte. Hier lernten unsere Vorfahren, auf zwei Beinen
       zu gehen und zu jagen. Für eine Spezies, die vergleichsweise schwach und
       langsam ist, erwies sich das Ausbilden von Sprache als entscheidender
       Vorteil. Außerdem sahen sich diese Urmenschen mit raschen
       Umweltveränderungen konfrontiert. „Intelligenz ist die evolutionäre Lösung
       für das Problem, dass sich ein Lebensraum schneller verändert, als die
       natürliche Selektion den Körper ummodellieren kann.“
       
       ## Schalen von Meerestieren im Tower of London
       
       In der Lage zu sein, Werkzeuge und Kleidung herzustellen, war die
       Voraussetzung, dass der Homo sapiens vor etwa 60.000 Jahren sein
       Entstehungsgebiet verlassen und innerhalb weniger zehntausend Jahre alle
       Erdteile besiedeln konnte. Dafür nutzten unsere Vorfahren die Landbrücken
       während der letzten Eiszeit. 16.000 Jahre lang waren die Menschen in
       Amerika und im Rest der Welt voneinander getrennt – bis Kolumbus 1492 über
       den Atlantik segelte. In dieser Zeit hatten sie unabhängig voneinander
       gelernt, Landwirtschaft zu betreiben, und entwickelten Hochkulturen. Die
       menschliche Fähigkeit, die eigene Umwelt zu gestalten, führte aber auch
       dazu, dass schon vor 12.000 Jahren ein Drittel der Großsäuger in Eurasien
       und zwei Drittel in Amerika ausgestorben waren.
       
       Auf einer halben Seite gelingt es Lewis Dartnell, die Gesteinsklassen und
       ihre jeweilige Entstehung zu beschreiben. Anschließend führt er der
       Leserschaft vor Augen, wo sie als Baustoff zum Einsatz gekommen sind.
       Kalkstein besteht aus den Schalen von Meerestieren, die in warmen, seichten
       Gewässern während der Jurazeit lebten – heute bestehen die Wände der
       Universität in Oxford oder der Tower of London aus diesem biologischen
       Gestein. Dagegen ist Granitmagma langsam erstarrtes Tiefengestein aus dem
       Erdinneren, das durch die Plattentektonik massiv verdichtet wurde und
       Steinmetzen in den 1930er Jahren ermöglichte, die vier Köpfe von
       US-Präsidenten aus einem Berg in Süddakota herauszumeißeln.
       
       Die Geschwindigkeit, mit der die Menschheit die eigene Umwelt verändert,
       hat sich erhöht. Drei Millionen Jahre liegen zwischen der ersten
       Herstellung von Stein- und Metallwerkzeugen. „Von der Eisenzeit bis zur
       Raumfahrt dagegen vergingen gerade einmal 3.000 Jahre.“ Inzwischen erhitzt
       der Mensch das Klima und verursacht ein massenhaften Artensterben.
       Erdgeschichtlich betrachtet sind solche Katastrophen normal. Beruhigend
       ist es trotzdem nicht.
       
       16 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Annett Jensen
       
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