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       # taz.de -- Ex-Präsident der USA und Spotify: Die Obamas sehen und hören
       
       > Nach Netflix schließt auch Spotify einen Vertrag mit dem Ehepaar Obama.
       > Es geht um Popkultur gegen Trump.
       
   IMG Bild: Wollen eine Gegenerzählung zur Trump-Regierung aufbauen: die Obamas
       
       Die Obamas, sowohl Barack als auch Michelle, haben schon lange an ihrem
       Image als Popkultur-Junkies gebastelt. Da war Barack noch Präsident und
       Michelle First Lady. Bei Spotify veröffentlichte Barack damals regelmäßig
       Playlists mit seinen liebsten Songs, Michelle teilte ihre
       Work-out-Playlist. Mit der New York Times plauderte Barack über seine
       Lieblingsbücher und zeigte sich auf der Höhe der Gegenwartsliteratur.
       
       Fanaccounts bei Twitter wie [1][@obamapluskids] veröffentlichen auch jetzt
       noch jeden Tag ein lustiges, intimes oder cooles Foto von Obama und einem
       Kind. Der Account hat knapp 50.000 Follower. Die Obamas, Barack und
       Michelle, mögen nicht mehr Teil der verfassten Politik sein. Im Weißen Haus
       wohnt Donald Trump, die USA befinden sich in einer Ära des rechten Rollback
       und des Hatespeech. Liberale Erzählungen haben es dort schwer, sie finden
       woanders statt.
       
       Nämlich in der Popkultur. Und dort haben sich die Obamas rechtzeitig als
       Marke ins Spiel gebracht. Diese Marke nutzen sie nun, um ein eigenes
       Mediengeschäft aufzubauen. Wie gerade [2][bekannt geworden ist], ist das
       Ex-Präsidentenpaar eine Kooperation mit dem Musikstreamingdienst Spotify
       eingegangen. Die Obamas werden Podcasts exklusiv für den Dienst produzieren
       und zum Teil selbst hosten. Spotify verspricht „starke Geschichten, die
       unterhalten, informieren und inspirieren“. Wie genau diese Kooperation
       aussieht, wie viel Geld fließt, welche Formate es geben soll und ob die
       Obamas selbst am Mikrofon sitzen werden, ist noch nicht bekannt. Klar ist:
       Es ist der nächste Schritt in Richtung eigenes Medienimperium von Barack
       und Michelle.
       
       Vor etwas mehr als einem Jahr gründeten die Obamas die Produktionsfirma
       Higher Ground. Der Firmenname geht zurück auf eine Rede Michelle Obamas bei
       einer Wahlkampfveranstaltung in Tennessee im Sommer 2016. Damals warben die
       Obamas für die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton – und gegen Trump
       und die Fiesheiten seiner Fans. „When people are ugly to us, we take the
       higher ground“, sagte Michelle Obama damals. „Wenn Menschen gemein zu uns
       sind, dann halten wir mit Güte dagegen“, könnte man den Ausspruch frei
       übersetzen. „Higher Ground“, das funktioniert nur auf Englisch, auf Deutsch
       klingt es, als wolle man sich moralisch über jemanden erheben. Aber
       vielleicht schwingt das ja auch unbewusst ein bisschen mit.
       
       ## Erstes Projekt: Ein Film über Trump
       
       Dieser „Higher Ground“ jedenfalls soll Leitmotiv von Obamavision sein.
       Erste Ankündigung war im Mai 2018 ein Vertrag mit dem Streamingdienst
       Netflix. Die Obamas würden eine Reihe von fiktiven Serien, Reality-Serien
       und Dokus liefern, hieß es damals. Die Obamas würzten die Pressemitteilung
       mit O-Tönen über die „faszinierenden Menschen aus allen
       Gesellschaftsschichten, die wir treffen durften“. Ihr Ziel sei es, so
       sagten sie es damals, neue, diverse Stimmen in der Unterhaltungsbranche zu
       festigen.
       
       Zunächst mal aber wird es wohl einen Film über Donald Trump geben. Higher
       Ground hat die Rechte an dem politischen Sachbuch „Erhöhtes Risiko“ des
       Autors Michael Lewis erworben. Lewis beschreibt Schwierigkeiten beim
       Übergang der Obama- zur Trump-Regierung. Ende April bestätigte Netflix,
       dass die Obamas das Buch für den Streamingdienst verfilmen werden.
       Ebenfalls geplant soll ein Film über Frederick Douglass sein, einen
       früheren Sklaven und wichtigen Aktivisten der Abolitionisten-Bewegung, die
       sich im 18. und 19. Jahrhundert für die Abschaffung der Sklaverei in den
       Vereinigten Staaten einsetzte.
       
       Es ist dieses neue Gegengewicht, das die Obamas aufbauen wollen, ein
       Gegengewicht zur Erzählung der Trump-Regierung. Ein Amerika, das divers
       ist, gegen eins, das vornehmlich weiß ist. Ein Amerika, das das Grauen in
       seiner Geschichte aufarbeitet, statt sich mit Stolz auf die guten Seiten zu
       fixieren. Die Obamas sind befreundet mit Ted Sarandos, der als Chief
       Content Officer bei Netflix für das Programm zuständig ist.
       
       Es ist in den USA kein Geheimnis, dass sich die Film- und Musikindustrie
       traditionell eher auf die Seite der liberalen USA schlägt beziehungsweise
       auf die der Demokratischen Partei. Während Hollywood und die großen
       Popmusik-Stars regelmäßig politische Themen aus dem liberalen und linken
       Spektrum aufgreifen, hatte es ein Präsident Trump schon schwer, eine Band
       für seine Amtseinführungsparty zu finden. Die Obamas machen sich diesen
       Grundsatz zunutze. Wo Trump Beziehungen zu Bau-Milliardären und Oligarchen
       aufzubauen versucht, netzwerken Michelle und Barack in den amerikanischen
       Traumfabriken.
       
       ## Menschen einander näher bringen
       
       Netflix hat nach eigenen Angaben über 150 Millionen Abonnent*innen
       weltweit, davon 60 Millionen in den USA. Spotify spricht von 100 Millionen
       zahlenden Nutzer*innen weltweit, in den USA sollen es 26 Millionen sein.
       Mit dem Spotify-Deal stärken die Obamas also vor allem die Präsenz im
       eigenen Land, während sie mit Netflix eher international gut aufgestellt
       waren.
       
       In den Obama-Podcasts bei Spotify soll auch Diversity eine große Rolle
       spielen. Es soll neuen Stimmen eine Bühne gegeben werden. Stimmen, die laut
       Michelle Obama, „zu oft ignoriert oder zum Schweigen gebracht werden“. Ihre
       Hoffnung sei, dass Higher Ground nicht nur gute Podcasts produzieren werde,
       sondern helfen werde, Menschen emotional einander näher zu bringen, und
       ihren Verstand und ihre Herzen öffnen werde.
       
       Für Spotify ist der Obama-Deal ein wichtiger in dem wachsenden
       Podcast-Markt. Der Streamingdienst arbeitet schon länger daran, neben
       seinem Geschäft mit Musik auch mit eigenen Podcast-Formaten Geld zu
       verdienen. Geschäftsführer Daniel Erk schrieb Anfang des Jahres, er rechne
       damit, dass künftig ein Fünftel der Spotify-Nutzung auf Podcasts entfalle.
       
       2019 will das Unternehmen nach eigenen Angaben 400 bis 500 Millionen Dollar
       in Podcasts investieren – und ging im Januar zunächst auf die größte
       Shoppingtour in der bis dato noch relativ kleinen Podcast-Welt. Für rund
       337 Millionen Dollar kaufte Spotify das US-Podcast-Label [3][Gimlet] und
       Anchor, eine Plattform, die sich auf das Hosting und die Monetarisierung
       von Podcasts spezialisiert hat. Nun also der Obama-Deal, neben Gimlet der
       nächste, in dem es explizit um die Produktion von Inhalten geht.
       
       Ob die Podcasts der Obamas nur für zahlende NutzerInnen hörbar sein werden,
       ist noch unklar. Den erfolgreichsten deutschen Exklusiv-Podcast, „Fest &
       Flauschig“ mit Jan Böhmermann und Olli Schulz, stellt der Dienst jedenfalls
       nicht hinter eine Bezahlschranke. Allerdings könnten da zwei gegensätzliche
       Interessen aufeinandertreffen. Das Bedürfnis der Obamas, möglichst viele
       Menschen zu erreichen gegen das von Spotify, sich für diesen
       Premium-Promi-Content auch bezahlen zu lassen.
       
       14 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/obamapluskids?lang=de
   DIR [2] https://newsroom.spotify.com/2019-06-06/higher-ground-announces-partnership-with-spotify-to-produce-podcasts/
   DIR [3] /Spotify-uebernimmt-Podcast-Label/!5568615
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
   DIR Peter Weissenburger
       
       ## TAGS
       
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