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       # taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Ein herrliches Land
       
       > Die Schweiz ist eher für guten Käse bekannt als für gute Familienpolitik
       > und Gleichberechtigung. Aber zumindest eins dürfen die Frauen: streiken.
       
   IMG Bild: Streik in Luzern: Die Frauen haben die Säulen ihrer stolzen Nation ziemlich ins Wanken gebracht
       
       Am Freitag sind in der ganzen Schweiz Frauen auf die Straße gegangen, um
       für mehr Gleichstellung zu demonstrieren. Weil Frauen dort ein Fünftel
       weniger verdienen, wollten landesweit Tausende von ihnen um 15.24 Uhr ihre
       Arbeit niederlegen – nach vier Fünfteln des durchschnittlichen Arbeitstags.
       
       Im Vorfeld war von Kitas zu hören, die verzweifelt nach männlichen
       Aushilfskräften suchten, von einer Uhrenindustrie, die aus dem Takt zu
       geraten drohte, und von Ehemännern, die wichtige Meetings verschoben, um
       ihre Kinder zu hüten. Die Frauen haben also die Säulen ihrer stolzen Nation
       ziemlich ins Wanken gebracht.
       
       Die Schweiz bemüht sich aber eben traditionell sehr um das Wohlbefinden
       seiner Bürger (Frauen sind hier selbstverständlich absolut mitgemeint). So
       hat der Staat stets versucht, das schwache Geschlecht von den Widrigkeiten
       der Realität zu entlasten. Bis 1971 mussten Frauen in der Schweiz nicht
       einmal wählen. Ihre Männer nahmen die Last der Verantwortung für die
       Zukunft der Nation ganz allein auf ihre Schultern. Heroisch. Auch nachdem
       man den Frauen das Wahlrecht dann doch aufgebürdet hatte, kümmerten sich
       die Eidgenossen immerhin um einen sanften Übergang. Noch bis 1988 trafen
       Ehemänner für ihre Frauen die schwere Entscheidung, ob diese außer Haus
       arbeiten gehen sollten oder nicht. Da kann einem schon der Kopf rauchen.
       Ja, bis heute reden viele Männer bei der Lebensplanung ihrer Gattinnen gern
       ein Wörtchen mit.
       
       ## Männer, die Abendessen zubereiten: Toll!
       
       Aber halt: Was tun, wenn ein hartherziger Ehemann seine Frau zu schnell weg
       vom trauten Heim in die Welt der Büros und Manufakturen drängt? Zumal doch
       alle wissen, wie grausam es wäre, einer Mutter das Recht zu verwehren, in
       den ersten sechs Jahren nach der Geburt 24 Stunden am Tag mit ihrem Kind zu
       verbringen.
       
       Auch dafür haben die Eidgenossen eine Lösung: Ein Kitaplatz kostet in der
       Schweiz etwa einen halben Monatslohn. Spätestens nach dem zweiten Kind
       kommt da kein Ehemann mehr auf die Idee, seine Liebste in die hektische
       Arbeitswelt zu drängen.
       
       Doch zurück zum Streik: Der ein oder andere Mann soll nach den Strapazen
       des Tages freiwillig das Abendessen zubereitet haben. Ganz toll! Ein
       herrliches Land.
       
       14 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alicia Lindhoff
       
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