URI: 
       # taz.de -- Politische Krise Großbritannniens: Linke kreist um sich selbst
       
       > Vom Chaos bei den Konservativen kann die Opposition nicht profitieren.
       > Labour und Liberale kämpfen gegeneinander, Change UK zerfällt.
       
   IMG Bild: Seine Partei muss für zweideutige Brexit-Positionen büßen: Labour-Chef Jeremy Corbyn
       
       LONDON taz | Am Donnerstag finden im ostenglischen Peterborough Nachwahlen
       statt, die das nächste politische Erdbeben für Großbritannien nach der
       Europawahl herbeiführen könnten. Der Kandidat der Brexit Party, Mike
       Greene, gilt als Favorit in dem bisherigen Labour-Wahlkreis. Damit winkt
       der neuen Partei von Nigel Farage ihr erster Sitz im Unterhaus.
       
       Ausgelöst wurde die Nachwahl durch ein Volksbegehren, das die bisherige
       Labour-Abgeordnete Fiona Onasanya aus dem Amt warf. Sie hatte sich wegen
       Meineids strafbar gemacht und wurde mit ihrem Bruder zu einer
       Freiheitsstrafe verdonnert. Dafür wird Labour jetzt büßen – aber auch für
       die zweideutige Position in Sachen Brexit.
       
       Jegliche parlamentarische Übereinkunft zum Brexit soll dem Volk zur
       Abstimmung vorgelegt werden, heißt es bei Labour seit der Niederlage bei
       der Europawahl, als die Partei auf nur 14 Prozent abrutschte und hinter der
       Brexit Party und den EU-freundlichen Liberaldemokraten landete. Labour-Chef
       Jeremy Corbyn gab jedoch gleichfalls an, dass er einen Brexit-Deal mit der
       EU bevorzuge. Nicht er, sondern die Labour-Pressestelle musste bestätigen,
       dass bei einer Volksabstimmung der Verbleib in der EU auch eine Option sein
       müsse.
       
       Weiterhin leidet Labour auch an antisemitischen Ausrutschern. Zwar wird
       versichert, nur ein äußerst geringer Teil der Mitgliedschaft bringe die
       Partei in Verruf. Doch wenn dazu Labour-Vorstandsmitglied Pete Willsman
       gehört, der behauptet hatte, dass alle Antisemitismusvorwürfe gegen Labour
       von der israelischen Botschaft in London gesteuert würden, oder um die
       Labour-Kandidatin in Peterborough, die antisemitische Posts auf sozialen
       Netzwerken teilt, dann hilft dies wenig.
       
       ## Nicht nur Antisemitismus
       
       Inzwischen untersucht die britische Menschenrechtskommission EHRC die
       [1][Antisemitismusfälle bei Labour]. Und es geht nicht nur um
       Antisemitismus. Laut Sunday Times soll sich Corbyns Büro gegen die
       Suspendierung eines Parteimitglieds entschieden haben, den eine junge
       Labourabgeordnete der sexuellen Nötigung beschuldigt hatte. Der Mann ist
       Sohn eines bekannten Labour-Politikers am linken Rand der Partei. Er bleibt
       ungeschoren, aber der ehemalige Pressechef Tony Blairs, Alistair Campbell,
       wurde mit sofortiger Wirkung und ohne Verfahren aus der Partei geschmissen,
       weil er verkündet hatte, er hätte bei den Europawahlen zum ersten mal nicht
       Labour gewählt, sondern die EU-freundlichen Liberaldemokraten.
       
       So kämpft Labour mit sich selbst ausgerechnet in einer Zeit, wo die
       Konservativen lädiert sind wie nie. Was bleibt also neben der Brexit Party
       in der Parteienlandschaft? Die Liberaldemokraten und Grünen konnten zwar
       bei den Kommunalwahlen Anfang Mai in Peterborough dazugewinnen, doch gegen
       die Brexit Party fallen sie nicht ins Gewicht. Eigentlich gäbe es noch eine
       dritte Option mit der neuen Partei Change UK, die abtrünnige Abgeordnete
       von Labour und Konservative gegründet haben. Aber bei der Europawahl gingen
       sie unter, und am Mittwoch traten sechs der elf
       Change-UK-Unterhausabgeordneten wieder aus, darunter die Parteivorsitzende
       Heidi Allen und Parteisprecher Chuka Umunna.
       
       Davon werden die Liberaldemokraten profitieren, die derzeit nach einer
       neuen Führung suchen: der 76-jährige Parteichef Vince Cable gibt auf. Die
       Wahl besteht zwischen Ed Davey, ein ehemaliger Staatssekretär für
       Klimawandel, und der derzeitige Vizeparteiführerin Jo Swinson. Beide sind
       links einzustufen. Bei einer Wahlveranstaltung in London tendierten
       Mitglieder zu Davey, vor allem wegen seiner Stimme für grüne Politik.
       
       In Peterborough könnten die Liberaldemokraten zweitstärkste Partei werden –
       eine weitere Schlappe für Labour, aber zu wenig zum Sieg. Um die Brexit
       Party in die Schranken zu weisen, hätten sich die Pro-EU-Kräfte zusammentun
       müssen. Tatsächlich wurde ein Mitglied der Kampagne People’s Vote, Femi
       Oluwole, als gemeinsamer Kandidat von Liberaldemokraten, Grünen und Change
       UK erwogen. Doch wenige Stunden vor der Kandidatenfrist warf er das
       Handtuch. Nach Informationen der taz wurde Oluwole von Labour-Mitgliedern
       bei People’s Vote bedrängt, sich nicht gegen Labour aufstellen zu lassen.
       
       6 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Antisemitismus-in-der-Labour-Partei/!5578949
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn
       
       ## TAGS
       
   DIR Großbritannien
   DIR Labour Party
   DIR Labour
   DIR Jeremy Corbyn
   DIR Labour Party
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Wahlen in Großbritannien
   DIR Donald Trump
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Europawahl
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Labour im britischen Wahlkampf: Suche nach moralischem Kompass
       
       Labour trumpft im Wahlkampf mit einem enormen Sozialprogramm auf – erntet
       aber dennoch Kritik. Das hängt mit dem Personenkult in der Partei zusammen.
       
   DIR Labour-Parteitag in Großbritannien: Die Linke bekämpft sich selbst
       
       Zum Jahresparteitag der britischen Labour-Opposition zerreißt der Brexit
       die Partei. Der linke Flügel ist auf dem Kriegspfad gegen EU-Befürworter.
       
   DIR Parteitag der britischen Liberalen: Höhenflug in Gelb
       
       Großbritanniens Liberaldemokraten träumen vom politischen Durchbruch. Sie
       bieten einen Anti-Brexit-Kurs und Überläufer aus anderen Parteien.
       
   DIR Kolumne Schlagloch: Nur nicht erwischen lassen
       
       Die Brexiteers scheinen unter starken imperialen Phantomschmerzen zu
       leiden. Das macht ein Miteinander auf Augenhöhe unmöglich.
       
   DIR Nachwahl in Großbritannien: Brexit-Partei gestoppt
       
       In der mittelenglischen Stadt Peterborough holt Labour mit einem denkbar
       knappen Vorsprung einen Sitz für das Unterhaus.
       
   DIR US-Präsident Trump in London: Drinnen May, draußen Corbyn
       
       Die britische Premierministerin trifft den US-Präsidenten.
       Oppositionsführer Corbyn spricht lieber vor seinen Gegnern.
       
   DIR Kampagne im Brexit-Wahlkampf: Boris Johnson muss vor Gericht
       
       Bald könnte er Premierminister werden. Doch zunächst muss sich der
       Wortführer der Brexit-Kampagne wegen Amtsmissbrauch verantworten.
       
   DIR Großbritannien nach Europawahl: Farage räumt ab
       
       In Großbritannien treibt die Europawahl die Pro-und-Anti-EU-Spaltung weiter
       voran. Tories und Labour fallen in der Mitte in die Versenkung.