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       # taz.de -- Nach Wedel-Berichterstattung: Betroffene im Streit mit der „Zeit“
       
       > Jany Tempel warf Regisseur Dieter Wedel in der „Zeit“ vor, sie
       > vergewaltigt zu haben. Nun fordert sie von der Zeitung finanziellen
       > Rückhalt ein.
       
   IMG Bild: Jany Tempel wendet sich nach der Zeit-Berichterstattung wieder an die Öffentlichkeit
       
       Berlin taz | Im Januar 2018 verschaffte eine Recherche der Zeit Deutschland
       seinen eigenen [1][Harvey-Weinstein-Skandal]. Der Artikel [2][„Im
       Zwielicht“] machte die Erfahrungen von vier ehemaligen Schauspielerinnen
       öffentlich, die von sexuellen Übergriffen des Regisseurs Dieter Wedel
       erzählten. Jany Tempel war eine der Frauen, die das nicht anonym tat. Sie
       wirft dem Regisseur vor, sie 1996 vergewaltigt zu haben. Wedel dementiert
       alle Anschuldigungen.
       
       Die Veröffentlichung des Zeit-Artikels befeuerte die Diskussion über Männer
       in Machtpositionen und sexuelle Übergriffe in Deutschland, [3][weitere
       Frauen meldeten sich] ebenfalls mit schweren Vorwürfen gegenüber dem
       Regisseur zu Wort. Zwar hatte die Zeit geschrieben, dass die
       Anschuldigungen verjährt seien. In Tempels Fall stellte sich das jedoch als
       falsch heraus. In der Folge nahm die Staatsanwaltschaft München
       Ermittlungen gegen Wedel auf. Nun ist Tempels Anwalt Alexander Stevens
       gegen die Zeit vor Gericht gezogen und fordert von der Zeitung die
       anfallenden Kosten für das Verfahren ein.
       
       Vergangene Woche wandte sich Tempel noch einmal an die Öffentlichkeit. Ihr
       [4][offener Brief] trägt den Titel „512 Tage Schweigen“. Darin berichtet
       sie, wie es ihr seit dem Gang in die Öffentlichkeit ergangen ist. Sie
       erzählt über Dankbarkeit für ihren Mut, aber auch über Angriffe. Über das
       nachlassende Interesse an den Betroffenen, die ihr Schweigen gebrochen
       haben, und über Fehler auf ihre Kosten. Insbesondere: Der
       Verjährungsfehler.
       
       ## Doch nicht verjährt
       
       Laut Zeit-Anwalt Jörg Nabert waren die Informationen über die Verjährung
       der Anschuldigungen auch lediglich zur Einordnung strafrechtlicher Vorwürfe
       im Artikel eingeholt worden. „Frau Tempel hat eine Verjährung nie als
       Bedingung kommuniziert. Es gab dazu auch keine Zusicherung und keine
       rechtliche Beratung. Die Zeit hatte da keine Fürsorgepflicht, weil Frau
       Tempel bereits von einem Anwalt betreut wurde“, erklärt Nabert gegenüber
       der taz.
       
       Schon als Tempel sich erstmals an die Zeit wandte, habe sie das mit dem
       Rechtsbeistand getan. Im Ermittlungsverfahren gegen Wedel wird Tempel nun
       von Strafverteidiger Alexander Stevens unterstützt. Er sieht das anders und
       sagte der taz am Dienstag: „Sie hat in der Gewissheit, dass es wegen der
       Verjährung zu keinem Strafverfahren gegen Wedel mehr kommen kann, mit der
       Zeit zusammengearbeitet und auf diese Auskunft vertraut.“
       
       Die Staatsanwaltschaft München nahm jedoch Ermittlungen gegen Wedel auf.
       Für Tempel bedeutete das: „All das, warum Betroffene eben doch lieber
       schweigen.“ So beschreibt sie die anstrengenden Anhörungen, den Schmerz,
       das Erfahrene immer wieder erzählen zu müssen, und das nicht immer
       wohlmeinende Interesse der Öffentlichkeit in ihrem Brief. Es bedeutete
       auch: Anwaltskosten für die Beratung durch Stevens. Rund 30.000 Euro für
       die bisher angefallene anwaltliche Beratung will Stevens von der Zeit
       einklagen.
       
       Tempel hat ihm dafür ihren Anspruch abgetreten, tritt also nicht selbst als
       Klägerin auf. Das hat nicht nur den Zweck, sie aus Opferschutzgründen aus
       Gerichtssälen und Öffentlichkeit herauszuhalten, sondern heißt laut Stevens
       auch, dass Tempel auch dann nicht auf den Kosten sitzen bleibt, wenn die
       Zeitung die diese nicht ersetzen sollte. Was sie Stevens Ansicht nach aber
       müsste.
       
       ## Streit um die Anwaltskosten
       
       „Die Zeit hat Frau Tempel versichert, sie von etwaigen Ansprüchen von Herr
       Wedel wegen der Berichterstattung freizustellen und auch etwaige Anwalts-
       und Gerichtskosten zu übernehmen“, so Stevens. „Selbst wenn dabei nicht
       explizit von einem Strafverfahren gesprochen worden sein sollte, hat sie
       sich als juristische Laiin natürlich darauf verlassen, mit der Zeit im
       Rücken in jedem Fall anwaltlich abgesichert zu sein.“ Die Zeit dagegen will
       Tempel lediglich zugesichert haben, die Kosten für die Abwehr eines
       Unterlassungsanspruchs Wedels zu tragen.
       
       Eine Kostenübernahme in einem Strafverfahren, von dem ja auch nicht
       ausgegangen worden war, ist nach Darstellung der Zeit nie vereinbart
       worden. Auch das zuständige Landgericht Hamburg befand den von Stevens
       vorgetragenen Anspruch vergangenen Freitag als nicht hinreichend begründet
       und setzte den Verkündungstermin für den 28. Juni an. Stevens hat nun zwei
       Wochen Zeit für eine Stellungnahme. Nachdem er bisher nur auf Grundlage des
       Email-Schriftverkehrs zwischen Tempel und der Zeit argumentiert hatte,
       möchte er dazu nun auch die Aussage einer anonymen Zeugin anführen.
       
       Wie Anwälte überhaupt übersehen konnten, dass Tempels Fall noch nicht
       verjährt war, ist allemal erstaunlich. Und es stellt sich die Frage nach
       der besondere Verantwortung der Zeitung gegenüber ihrer Informantin, die
       sich aus diesem Fehler und aus der Berichterstattung ergibt. Bei einem
       Strafverfahren anfallende Kosten zu übernehmen, so Nabert, komme für die
       Zeitung jedoch prinzipiell nicht in Frage.
       
       Nabert erklärt: „Auch wenn es bei 24 Belastungszeuginnen unwahrscheinlich
       ist, wissen wir nicht, ob Wedel vielleicht unschuldig ist. Deshalb können
       wir uns auch nicht durch die Zahlung der Kosten für Tempel auf eine Seite
       schlagen.“ Stevens findet das paradox, immerhin sei die Zeitung ja auch
       bereit gewesen, Tempels Verteidigung gegen eine Klage Wedels zu bezahlen.
       
       ## Ermittlungen gegen Wedel dauern an
       
       Weil es in der Berichterstattung um unbewiesene Anschuldigungen ging, war
       die Zeit für die Veröffentlichung der Recherche auch kritisiert worden.
       Wedels eidesstattliche Versicherung steht der von Tempel und anderen Frauen
       gegenüber, so wurde es auch im Zeit-Artikel dargestellt. Stevens selbst
       hatte damals, unter anderem in einem [5][Kommentar] für den Stern, das
       Aussetzen der Unschuldsvermutung für Wedel kritisiert und
       Männerfeindlichkeit beklagt.
       
       Ob es tatsächlich zu einem Prozess gegen Wedel kommen wird, ist noch offen.
       Wie die Münchner Staatsanwaltschaft auf Nachfrage erklärte, [6][dauern die
       Ermittlungen momentan noch an]. Man gehe aber davon aus, sie noch dieses
       Jahr abzuschließen.
       
       6 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ein-Jahr-MeToo/!5538032
   DIR [2] https://www.zeit.de/zeit-magazin/2018/02/dieter-wedel-regisseur-sexuelle-uebergriffe-vorwuerfe
   DIR [3] /Medienbericht-ueber-sexuelle-Uebergriffe/!5479969
   DIR [4] https://janytempel.com/2019/05/512-tage-schweigen/
   DIR [5] https://www.stern.de/kultur/tv/alexander-stevens---was-mit-dieter-wedel-passiert--ist-verfassungsfeindlich--7843376.html
   DIR [6] /Vorwuerfe-gegen-Dieter-Wedel/!5478877
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lilly Schlagnitweit
       
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