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       # taz.de -- Wahlergebnis in Dänemark: Die Sozis können auch gewinnen
       
       > Die Koalitionsbildung wird aber kompliziert. Denn: Die links-grünen
       > Parteien wollen einen Kurswechsel bei der restriktiven Migrationspolitik.
       
   IMG Bild: Funkelnde Wahlgewinnerin: Mette Frederiksen
       
       Stockholm taz | „Es gibt einen Machtwechsel“, sagte Dänemarks bisheriger
       Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen am Donnerstag kurz nach Mitternacht
       und gestand die Wahlniederlage ein. Seine rechtsliberale „Venstre“ hatte
       zwar fast vier Prozentpunkte Stimmen gegenüber den Wahlen von 2015
       dazugewonnen und landete mit 23,4 Prozent nur 2,5 Prozent hinter den
       Sozialdemokraten. Was deutlich besser war als erwartet: Noch vor zwei
       Wochen hatten Umfragen einen Abstand von bis zu 10 Prozent vorhergesagt.
       
       Aber die bislang oppositionellen Sozialdemokraten wurden trotz leichter
       Stimmenverluste mit 25,9 Prozent stärkste Partei. Ministerpräsidentin – mit
       41 Jahren die bislang jüngste des Landes – wird nun aller Voraussicht nach
       Mette Frederiksen, die Vorsitzende der Sozialdemokraten werden.
       
       Sie hat es den Sozialliberalen und drei rot-grünen Parteien zu verdanken,
       wenn trotz des enttäuschenden Abschneidens ihrer eigenen Partei der „rote
       Block“ im Parlament eine absolute Mehrheit erreichte. Und damit Løkke
       Rasmussen die Möglichkeit verbaut wurde mit seinem „blauen Block“
       weiterzuregieren.
       
       Unter dem Strich gewann dessen konservativ-liberale Dreiparteien-Koalition
       zwar sechs Mandate hinzu. Gleichzeitig verlor deren bisherige
       Zusammensarbeitspartnerin, die „Dänische Volkspartei“ aber 21 Sitze und
       sackte von 21,1 auf 8,7 Prozent ab. Eine Katastrophenwahl für die
       Rechtspopulisten: Von den WählerInnen für eine Reihe von Skandalen
       abgestraft, haben sie seit 1998 nicht schlechter abgeschnitten.
       
       ## Grüne Themen mit Abstand am wichtigsten
       
       Das dänische Folketing wurde bei dieser Parlamentswahl noch ein wenig
       bunter als es bislang schon war. Lässt man die Sitze aus Grönland und den
       Färöer weg und nimmt nur die 175 Mandate des Mutterlands, waren dort in der
       letzten Legislaturperiode neun Parteien vertreten. Nun schafften 10 der 13
       zur Wahl angetretenen Parteien den Sprung über die 2-Prozent-Sperrklausel.
       
       Und vor allem die „Grünen“ konnten punkten. In Dänemark gibt es statt einer
       gleich vier grüne Parteien. Auf zusammen 26,2 Prozent kamen die
       sozialliberalen „Radikalen“, sowie die rot-grünen Parteien „Sozialistische
       Volkspartei“, „Einheitsliste“ und „Alternative“. Ein Rekordergebnis, in dem
       sich niederschlägt, dass laut Umfragen für eine Mehrheit von fast 60
       Prozent der WählerInnen das Klimathema diesmal mit Abstand am wichtigsten
       geworden war. Im Januar hatten es erst 20 Prozent als wahlentscheidend
       genannt.
       
       Die Flüchtlings- und Migrationspolitik, die seit 2001 alle Wahlen dominiert
       hatte, kam hinter sozialpolitischen Fragen auf dieser Rangliste mit unter
       20 Prozent diesmal nur noch auf den dritten Platz. Und letztendlich war es
       diese Themenverschiebung hin zu einer „Klimawahl“, die die Niederlage des
       „blauen Blocks“ besiegelte.
       
       ## Klimapolitische Voraussetzungen für eine Koalition
       
       Denn dessen Parteien hatten klimapolitisch kaum etwas zu bieten. Im
       Gegenteil: Die „Dänische Volkspartei“ warnte vor „Klimahysterie“ und unter
       der Regierung Løkke Rasmussen war 2015 das Ziel einer Klimagasreduktion von
       40 Prozent bis 2020 als „zu teuer“ gestrichen worden. „Das war eine
       katastrophale falsche Weichenstellung“, warf eine Anfang der Woche
       vorgelegte Studie der scheidenden Regierung vor.
       
       Unter den Sozialdemokraten soll es besser werden. Sie versprechen, Dänemark
       „wieder zu einer grünen Supermacht“ machen zu wollen. Nach den vier
       verlorenen Jahren, in denen die Energieumstellung verlangsamt wurde und der
       Kohlenstoffdioxid-Ausstoss sogar anstieg, wird das nicht nur schwieriger,
       sondern auch teurer werden.
       
       Mette Frederiksen will den dänischen Klimagasausstoss bis 2030 um 60
       Prozent reduzieren. Die „Radikalen“ und die rot-grünen Parteien wollen
       diese Marke auf 70 Prozent hochgeschraubt sehen. Eine ehrgeizige
       Klimapolitik und eine Festschreibung der entsprechenden Mittel in der
       Finanzplanung haben sie zur Voraussetzung einer möglichen Zusammenarbeit
       mit Frederiksen gemacht.
       
       ## Unklarheit bei der künftigen Migrationspolitik
       
       Wollen die Sozialdemokraten tatsächlich den „grundsätzlichen
       Politikwechsel“, den sie im Wahlkampf versprochen haben, werden sie für
       eine parlamentarische Mehrheit die Stimmen dieser Parteien brauchen.
       Abgesehen von der Klimapolitik müssten sie diesen aber auch Zugeständnisse
       in der Ausländerpolitik machen.
       
       Die Sozialdemokraten haben zusammen mit der „Dänischen Volkspartei“ in den
       vergangenen vier Jahren nahezu alle flüchtlings- und migrationspolitischen
       Verschärfungen der Regierung Løkke Rasmussen mitgetragen. An denen wolle
       man „im grossen und ganzen“ auch festhalten versicherte Frederiksen im
       Wahlkampf.
       
       Das wird schwierig werden. Bleibe sie dabei, könne sie nicht mit
       Unterstützung rechnen, haben die Vorsitzenden von „Radikalen“ und
       „Einheitsliste“ bereits angekündigt. Und der Tenor erster Wahlanalysen
       sieht das ähnlich. Die „rote Mehrheit“ verdanke Frederiksen den anderen
       Parteien des „roten Blocks“, die im Gegensatz zu den Sozialdemokraten
       wirklich geliefert hätten, kommentiert „Politiken“: Und das mit einer den
       Sozialdemokraten diametral entgegengesetzten Agenda in der
       Ausländerpolitik.
       
       ## Die Koalitionsverhandlungen werden hart
       
       Und „Ekstrabladet“ erinnert die Sozialdemokratin: Wenn sie die Krone haben
       wolle, dürfe sie nicht vergessen, dass sie es gar nicht sei, die selbst
       gewonnen habe.
       
       Kompromisse werden notwendig werden. Mette Frederiksen strebt in erster
       Linie eine sozialdemokratische Minderheitsregierung an, die sich
       parlamentarische Mehrheiten von Fall zu Fall sucht. Solche
       Minderheitsregierungen sind in Dänemark nicht die Ausnahme, sondern waren
       in den vergangenen Jahrzehnten eher die Regel.
       
       Aber ohne feste Zusammenarbeitsparteien ging das in der Vergangenheit nie
       eine ganze Legislaturperiode lang gut. Mit harten Regierungsverhandlungen
       darf gerechnet werden.
       
       6 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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