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       # taz.de -- Kirchenasyl in Deutschland: Bamf lehnt fast alle Anträge ab
       
       > 2019 leitete das Bundesamt bis Ende April in nur zwei Fällen ein
       > Asylverfahren ein. Die Kirchen klagen schon länger über Verschärfungen.
       
   IMG Bild: Das Dach der Kirche schützt vor Abschiebung nur unzureichend
       
       Essen/Berlin epd | Fast alle Kirchenasyl-Fälle werden mittlerweile vom
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgelehnt. Im Jahr 2019 gab
       das Bundesamt bis Ende April in nur zwei Fällen dem Ersuchen von
       Kirchengemeinden statt, ein Asylverfahren in Deutschland zu führen, obwohl
       laut EU-Regelung eigentlich ein anderer europäischer Staat zuständig
       gewesen wäre. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine
       Anfrage der Linksfraktion hervor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd)
       vorliegt.
       
       Im gleichen Zeitraum lehnte das Bamf demnach 145 Anträge von Menschen im
       Kirchenasyl ab. Die Links-Partei warf dem Bamf vor, humanitäre Grundsätze
       einem Abschiebewahn zu opfern.
       
       Die Quote der Kirchenasyl-Fälle, bei denen das Bundesamt besondere
       Härtefälle anerkannte und das Asylverfahren in Deutschland übernommen
       wurde, lag im Jahr 2019 bei lediglich 1,4 Prozent. 2018 waren es nach
       Angaben der Bundesregierung mit 77 von 647 Fällen noch fast zwölf Prozent.
       Insgesamt lag die Zahl der gemeldeten Fälle von Kirchenasyl laut
       Bundesregierung in den ersten vier Monaten 2019 bei 250. Im gesamten Jahr
       2018 waren es rund 1.520 Fälle.
       
       Rund jeder dritte Asylgesuch in Deutschland wird den Angaben zufolge vom
       Bamf abgewiesen, weil der Antrag laut EU-Recht in einem anderen
       europäischen Land entschieden werden muss. So wurde nach Angaben der
       Bundesregierung im ersten Quartal 2019 bei fast 35 Prozent aller
       Asylerstanträge ein sogenanntes Dublin-Ersuchen an einen anderen EU-Staat
       erstellt. Die größte Gruppe dieser Asylsuchenden sind Nigerianer. Die
       meisten Ersuche auf Übernahme des Asylverfahrens stellt Deutschland an
       Italien.
       
       Laut Dublin-Verordnung muss ein Asylverfahren in der Regel in dem EU-Staat
       entschieden werden, in dem der Geflüchtete zuerst in der EU registriert
       wurde.
       
       Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke forderte das Bamf dazu auf, zu „einem
       verständigen und sorgsamen Verfahren zurückzukehren“. Die Kirchengemeinden
       setzten sich in vorbildlicher Weise ganz konkret für die Menschenwürde von
       besonders schutzbedürftigen Geflüchteten ein. „Es kann nicht sein, dass
       humanitäre Grundsätze dem um sich greifenden Abschiebewahn geopfert
       werden“, kritisierte Jelpke. Die Zahlen ließen vermuten, dass bewusst ein
       Exempel gegenüber den aktiven Kirchengemeinden statuiert werden solle, um
       sie und die Flüchtlinge zu entmutigen. „Das ist inakzeptabel und spricht
       christlichen Werten Hohn“, kritisierte die Linken-Politikerin.
       
       ## Christliche Beistandspflicht
       
       Kirchen hatten in den vergangenen Monaten Verschärfungen für das
       Kirchenasyl sowie eine immer restriktivere Anerkennungspraxis beklagt. Beim
       Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus von
       Kirchengemeinden zeitlich befristet beherbergt. Ziel ist, in Härtefällen
       eine unmittelbar drohende Abschiebung in eine gefährliche oder sozial
       unzumutbare Situation zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu
       erreichen. Der Aufenthaltsort der Flüchtlinge wird den Behörden gemeldet.
       
       Meistens soll beim Kirchenasyl die Rückführung in ein anderes EU-Land
       verhindert werden, das für das Asylverfahren zuständig wäre, in dem den
       Betroffenen aber Obdachlosigkeit, mangelnde Versorgung oder die Abschiebung
       in ihr Herkunftsland drohen.
       
       Kirchenasylgemeinden sehen die Hilfe für Flüchtlinge als christliche
       Beistandspflicht an, die in der Bibel geboten werde. Von den Behörden wird
       die Praxis des Kirchenasyls als Ausnahme in seltenen Fällen weitgehend
       geduldet. Die Kirchen sind aber kein rechtsfreier Raum, der Staat kann also
       jederzeit die Abschiebung vollziehen.
       
       8 Jun 2019
       
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