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       # taz.de -- Mega-Insektenfarm in den Niederlanden: Fabrik für krabbelndes Tierfutter
       
       > Mit viel Tamtam eröffnet die größte Insektenfarm Europas in Bergen op
       > Zoom. Sind Fliegenlarven besseres Viehfutter als Importsoja?
       
   IMG Bild: Kommen nicht in den Insektenriegel, sondern ins Viehfutter: Mehlwürmer aus der Insektenfarm
       
       Berlin taz | Es geht nicht um Ersatz für Burger-Fleisch oder neue
       Knabberartikel, sondern um einen Beitrag zur nachhaltigen Produktion von
       Fisch, Fleisch und Eiern. Das teilte die niederländische Regierung
       jedenfalls mit, als König Willem-Alexander am Dienstag in Bergen op Zoom
       eine der modernsten Insektenfarmen Europas eröffnete.
       
       In der Anlage des [1][Unternehmens Protix] sollen Insekten als Tierfutter
       gezüchtet werden, als „vielversprechende alternative Quelle“ für Eiweiß.
       
       Auf dem Markt für Insekten als Viehfutter übersteigt die Nachfrage längst
       das Angebot. Als besonders geeignet gilt die Schwarze Soldatenfliege, weil
       ihre Larven relativ anspruchslos sind und verschiedenstes organisches
       Material in teils hochwertige Proteine und Fette umwandeln können.
       
       Bislang ist in der [2][EU die Verfütterung von toten Insekten nur in der
       Fischzucht und an Haustiere gestattet], weshalb Protix vor allem eine Art
       Insektenmehl für diese Bereiche produziert. Die Firma züchtet aber auch
       lebende Insekten als Futter für Geflügel. Diese sind vom EU-Verbot
       ausgenommen.
       
       ## „Das bringt die ganze Industrie nach vorn“
       
       Erwartet wird zudem, dass das Verbot für die Schweine- und Geflügelzucht
       bald aufgehoben wird. Protix-Mitbegründer Tarique Arsiwalla erwartet
       dadurch deutliche Zuwächse. „Ich sehe für unseren Betrieb auch Chancen bei
       der Schweine- und Geflügelzucht in Deutschland“, sagte er dpa.
       
       Kein Wunder, dass es auch hierzulande Bestrebungen gibt, Insekten
       gewinnbringend zu züchten. Heinrich Katz, Geschäftsführer des deutschen
       Soldatenfliegen-Marktführers [3][Hermetia GmbH], begrüßt die Eröffnung der
       neuen Farm in den Niederlanden: „Das bringt die ganze Industrie nach
       vorne.“ Wie hoch man dort das Potenzial einschätze, zeige sich auch daran,
       dass der König höchstselbst zur Eröffnung gekommen sei.
       
       „So einen Stellenwert hat die Nutzung von Insekten in Deutschland leider
       noch nicht“, sagt Katz. „Vor allem auf Bundesebene werden uns viele Steine
       in den Weg gelegt.“ Das Beharrungsvermögen deutscher Behörden werde zwar
       mit Nahrungssicherheit und anderen Risiken begründet, sei aber
       innovationsfeindlich. Dabei scheinen die Vorteile auf der Hand zu liegen.
       Kunden würden umweltbewusster, erklärt Arsiwalla. „Was ist natürlicher:
       Insekten oder Soja, das man vom anderen Ende der Welt einfliegt?“
       
       ## Knackpunkt ist die Herkunft des Insektenfutters
       
       Die Firma Protix gibt an, nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft zu
       produzieren: Pflanzliche Nahrungsmittelreste werden als Futter für die
       Insekten wiederverwertet. Diese wiederum bilden den eiweißreichen
       Grundstoff für Tierfutter, das importiertes Soja und Fischmehl ersetzen und
       deren fatale Umweltwirkungen mindern soll.
       
       Wie nachhaltig das ist, ist unklar. Protix veröffentlicht keine Details zum
       Futter, das die Insekten bekommen – das aber ist der Knackpunkt der
       Ökobilanz. Zwar sind die Niederlande großzügiger in der Gesetzesauslegung,
       sie können aber auch nur in der EU zugelassene Futtermittel freigeben.
       Viele organische Abfälle sind tabu. Wer etwa weggeworfene Lebensmittel
       verfüttern wollte, müsste nachweisen, dass für Konsument*innen keine
       gesundheitlichen Gefahren bestehen. Und damit ist die Frage nach der
       Vermeidbarkeit von „Abfällen“ in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion
       noch nicht einmal gestellt.
       
       Zudem sind die Produktionsmengen noch klein: „Am weltweiten Maßstab
       gemessen, ist es noch eine absolute Nische“, sagt Katz. In den Niederlanden
       gibt es zurzeit etwa 25 Insektenfarmen. Umsatzzahlen geben sie nicht preis,
       die Produktionskapazität liegt im niedrigen vierstelligen Tonnenbereich.
       
       13 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://protix.eu/
   DIR [2] https://www.wko.at/branchen/handel/agrarhandel/insekten-als-futtermittel.pdf
   DIR [3] http://www.hermetia.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrew Müller
       
       ## TAGS
       
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