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       # taz.de -- Nordlink erreicht Büsum: Lange Leitung
       
       > Das 600-Kilometer lange Kabel, durch das erneuerbarer Strom zwischen
       > Deutschland und Norwegen fließen soll, ist bei Büsum am Deich angekommen.
       
   IMG Bild: So kommt das Kabel an Land: Arbeiter vor dem Kabelverlegeschiff „Boka Connector“
       
       Büsum taz | Als das Kabel in das Rohr gezogen wird, herrscht Stille. Nur
       das Knarren der Seilwinde und das Klicken der Fotoapparate ist zu hören,
       dazwischen das irritierte Bliep-Bliep der schwarz-weiß gefiederten
       Austernfischer, die über dem Verlegeschiff kreisen. Das Schiff liegt vor
       dem Nordseedeich bei Büsum auf dem grau-braunen Schlick, der armdicke
       Nordlink rollt zentimeterweise über gebogene Gestelle ab in das Rohr, das
       durch den Seedeich führt.
       
       Das alles ist lange geplant, „aber man fiebert doch auf diesen Moment hin“,
       sagt Gunnar Spengel, Nordlink-Projektleiter bei der Firma Tennet, die mit
       dem norwegischen staatlichen Netzbetreiber Statnett das Kabel verlegt. Um
       die Zwei-Milliarden-Euro-Investition zu stemmen, ist auf deutscher Seite
       die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beteiligt.
       
       Der Deich-Durchstich ist noch nicht das Ende des Projekts. Es fehlen noch
       rund 54 Kilometer Erdkabel bis zum Umspannwerk bei Wilster. Aber der größte
       Teil der Strecke ist geschafft, inklusive schwieriger Transporte von
       400-Tonnen-Trafos über norwegische Serpentinenstraßen und Verlegung des
       Seekabels bei Sturm und Wellengang. Es wird von Spezialschiffen auf dem
       Meeresgrund ausgelegt und später mit Sand zugeschüttet. Aber nicht nur
       technisch sei Nordlink eine „Pioniertat“, sagt Tennet-Sprecher Mathias
       Fischer, sondern „wichtig für ganz Europa, um die Energiewende zu
       schaffen“.
       
       Über das Doppelkabel – zwei Stränge verlaufen parallel – kann Strom aus
       deutschen Windrädern nach Norwegen und Energie aus den norwegischen
       Wasserkraftwerken nach Deutschland geleitet werden, um stetigen Zufluss
       erneuerbarer Energie zu garantieren. Das verhindert, dass Windräder
       abgeschaltet werden, wenn die Netze überlastet sind, oder dass bei Flaute
       nichts aus der Steckdose kommt.
       
       Knapp zwei Stunden nachdem das Kabel auf See im Rohr verschwunden ist,
       rollt es jenseits des Deiches ans Licht. Ab hier beginnt die Verlegung als
       Erdkabel – in einem rund fünf Meter breiten Graben, in dem beide
       Kabelstränge liegen. Ist der Graben wieder zugeschüttet, sei bald nichts
       mehr von den Arbeiten zu sehen, sagt Fischer.
       
       Was fehlt, ist der Protest gegen die Kabelverlegung oder Menschen, die sich
       über die Nutzung der Nordsee als Kabelschacht aufregen – im Gegenteil, es
       herrscht eher Begeisterung, allen voran in der Landespolitik. Der Grüne
       Robert Habeck, bei Baubeginn Umwelt- und Energiewendeminister in
       Schleswig-Holstein, nannte die See-trasse einen „Zukunftsbaustein“ und
       freute sich über die Zusammenarbeit mit Norwegen: „Die Energiewende wird
       europäisch.“
       
       Diese Haltung sei bei der heutigen Jamaika-Regierung geblieben, berichtet
       Tennet-Sprecher Fischer. Zwar gab es vor Baubeginn Proteste von
       AnwohnerInnen des Hardanger-Fjords in Norwegen, berichteten damals Medien.
       Und dass Bayern keine Lust auf Kabel für Windstrom hat, ist bekannt. In
       Schleswig-Holstein dagegen, wo an viele Gemeinden Bürgerwindparks
       angeschlossen sind, scheint der Nordlink willkommen.
       
       Das Kabel wird durch das empfindliche Wattenmeer geführt, aber auch die
       Umweltschutzverbände haben „keine grundsätzlichen Bedenken“, so der BUND
       Schleswig-Holstein auf taz-Anfrage. Ja, das Kabel sei ein „starker
       Eingriff“, aber „eine Energiewende ohne Eingriffe in Natur und Landschaft
       ist leider nicht möglich“. Der Nabu verweist auf technische Fortschritte
       seit den ersten unterseeischen Stromkabeln, und der Nationalpark Wattenmeer
       erinnert daran, dass auch für die Offshore-Seeparks Leitungen gebaut werden
       müssen: „Um die negativen ökologischen Effekte zu minimieren, werden alle
       Kabel auf einer Trasse durch den Nationalpark gebündelt“ – der Nordlink ist
       Teil dieses Pakets.
       
       Ingrid Austen, freiberufliche Wattführerin, sieht es pragmatisch: „Der
       Eingriff ist nur temporär, und es gibt strenge Auflagen. Und schließlich
       wollen wir alle weiter Energie nutzen.“
       
       20 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
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