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       # taz.de -- Antisemitischer Vorfall in Hamburg: Spuckattacke auf Landesrabbiner
       
       > Der Landesrabbiner Shlomo Bistritzky wurde im Eingang des Hamburger
       > Rathauses bespuckt und bedroht. Der Staatsschutz ermittelt.
       
   IMG Bild: Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky wurde angegriffen
       
       Hamburg taz | Sie kamen am Donnerstagmittag von einem Senatsfrühstück für
       ehemalige Verfolgte des Nazi-Regimes, da wurden der Landesrabbiner Shlomo
       Bistritzky und Elizer Noe, ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde, im
       Foyer des Rathauses bespuckt, bedroht und beleidigt.
       
       „Die beiden waren aufgrund ihrer Kippot als Juden erkennbar gewesen“,
       berichtet Phillipp Stricharz vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde. Es sei
       unerträglich, dass sich sogar am helligten Tag im Rathaus antisemitische
       Übergriffe ereignen, „nur weil sich Juden als solche zu erkennen geben“.
       
       Er habe gerade das Rathaus verlassen wollen, „als uns der Mann zunächst mit
       Schalom grüßte. Dann sagte er etwas, was wie eine Drohung klang“,
       schilderte Shlomo Bistritzky, der 2012 zum Landesrabbiner der Stadt Hamburg
       bestellt wurde und am Freitag für die taz nicht direkt zu erreichen war,
       dem Hamburger Abendblatt.
       
       „Wir drehten uns zu ihm und fragten nach, was er gesagt habe. In diesem
       Augenblick griff er unter sein Hemd, holte etwas, das wie ein Messer
       aussah, hervor und begann uns verbal zu bedrohen.“ Der Angreifer zog den
       Angaben des Berichts zufolge dann offenbar auch ein Feuerzeug und ging mit
       entzündeter Flamme auf die beiden Juden zu, begann sie zu beleidigen und zu
       bespucken.
       
       „Die Polizeibeamten, die nach Aufforderung einschritten, wurden ebenfalls
       angegriffen, bespuckt und bedroht“, berichtet Phillipp Stricharz. Der
       Angreifer habe abwechselnd deutsch und arabisch gesprochen, er wurde
       schließlich mit Handschellen gefesselt. Weil er aber weiterhin spuckte,
       wurde ihm eine Spuckhaube angelegt.
       
       Laut Polizei handelt es sich um einen 45-jährigen Marokkaner, der in
       Niedersachsen lebt. Er soll nach unbestätigten Berichten in einer
       psychiatrischen Einrichtung leben. Nach Abschluss der kriminaltechnischen
       Maßnahmen wurde er entlassen, weil keine Haftgründe vorlagen. Der
       Staatsschutz ermittelt.
       
       ## Politiker verurteilen den Angriff
       
       Die Jüdische Gemeinde verurteilte den Angriff und dankte den Polizisten.
       Zugleich rief sie Politik und Öffentlichkeit auf, über Veränderungen
       nachzudenken, „damit erkennbares Judentum auf Hamburgs Straßen für alle
       Hamburger, unabhängig von ihrer Herkunft, eine Selbstverständlichkeit
       wird“. Solche Übergriffe müssten „so hart wie möglich“ geahndet werden,
       fordert Stricharz.
       
       Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der zum Frühstück eingeladen hatte,
       sagte: „Die Anfeindung gegen den Landesrabbiner ist eine schlimme
       antisemitische Straftat.“ Hamburg sei eine weltoffene liberale Stadt, in
       der Antisemitismus und Rassismus keinen Platz haben. Auch andere Politiker
       wie SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf, Linken-Fraktionschefin Cansu
       Özdemir, AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann und FDP-Fraktionschefin Anna von
       Treuenfels-Frohwein zeigten sich entsetzt.
       
       „Wir verurteilen den antisemitischen Angriff aufs Schärfste“, sagte die
       FDP-Frau. „Alle Menschen jüdischen Glaubens müssen sich in unserer Stadt
       sicher fühlen, egal ob es sich um einen Rabbiner oder einen ‚einfachen‘
       Kippa-Träger handelt.“ Die Justizpolitikerin hatte im Januar durch eine
       Anfrage erfahren, dass die Zahl der antisemitischen Straftaten in Hamburg
       von 35 im Jahr 2016 auf 74 in 2018 gestiegen ist. Von diesen wurden 51
       Taten dem rechten Spektrum zugeordnet und 17 der Kategorie „religiöse
       Ideologie“.
       
       Der CDU-Politiker Marcus Weinberg sagte, Hamburg müsse eine „liberale Burg
       gegen Hass“ sein. Er nehme den Vorschlag der Jüdischen Gemeinde gern an,
       Gespräche über Veränderungen zu führen.
       
       Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte erst
       Ende Mai für Aufregung gesorgt, weil er sagte, er könne „Juden nicht
       empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen“.
       
       Unterdessen berichtete Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) auf Radio
       Hamburg, dass auch sie nach dem Mordfall Lübcke in Kassel Morddrohungen
       gegen sich und ihre Kinder erhielt. Die Frage, ob solche Drohungen mehr
       geworden seien, bejahte sie, dies habe „auch mit der AfD zu tun“. Deren
       Themen, Wortwahl und Ton seien „Anreiz für viele Menschen, da noch mal
       einen draufzulegen“. Die AfD wies das zurück. Sie sei selbst Hauptziel von
       Angriffen.
       
       21 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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