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       # taz.de -- Olympische Winterspiele in Italien: Fünf Sterne stehen als Verlierer da
       
       > Italien holt sich die Winterspiele 2026. Die Regierungspartei Lega rastet
       > aus vor Freude, die Koalitionspartnerin Fünf Sterne dagegen eher weniger.
       
   IMG Bild: Siegen ist ungewohnt im krisengeschüttelten Italien – hier Giuseppe Sala, Mailands Bürgermeister
       
       Schier besoffen vor Freude zeigte sich Italien am Montagabend, als in
       Lausanne die Entscheidung des IOC bekannt gegeben wurde. Mailand und
       Cortina d’Ampezzo sollen die Olympischen Winterspiele 2026 ausrichten.
       Endlos lange TV-Beiträge zeigten die endlos lange jubelnde italienische
       Delegation, die Luftsprünge der mitgereisten Sportlerinnen, die
       Freudengesänge und Sprechchöre. Und endlos lange Zeitungsartikel
       wiederholten das Ganze am Dienstag, zelebrierten das IOC-Votum als
       nationalen Triumph über Schweden.
       
       Siegen: Das ist ein ungewohntes Gefühl in dem seit Jahren krisengebeutelten
       Italien. Und Giuseppe Conte, Ministerpräsident der Regierung aus Fünf
       Sternen und Lega, glaubt das Erfolgsgeheimnis zu kennen: „Ein geeintes und
       unzertrennliches Land“ habe den Erfolg nach Haus gefahren. Er selbst, der
       dem Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) nahesteht, war nach Lausanne
       gefahren, die Lega hatte den auch für Sport zuständigen Staatssekretär
       Giancarlo Giorgetti geschickt, zusammen mit den Regionalgouverneuren der
       Lombardei und des Veneto, und das Bild von der Allparteienkoalition der
       sonst so zerstrittenen politischen Kräfte Italiens machte Beppe Sala
       komplett, Bürgermeister Mailands aus den Reihen der gemäßigt linken Partito
       Democratico (PD), die in Rom die Oppositionsbänke drückt.
       
       Doch dieses Bild vom geeinten Land trügt. Die Fünf Sterne jubeln mit
       angezogener Handbremse. Maliziös vermerkten diverse Zeitungen, dass
       Lega-Chef Matteo Salvini hingegen nach der IOC-Entscheidung nur vier
       Minuten brauchte, um enthusiastisch zu twittern, um von „fünf Milliarden
       Euro Wertschöpfung, 20.000 Arbeitsplätzen und zahlreichen neuen Straßen und
       Sportanlagen“ zu schwärmen, während M5S-Chef Luigi Di Maio eineinhalb
       Stunden brauchte, um das „Teamspiel Italiens“ zu loben.
       
       Das mag auch daran liegen, dass die Fünf Sterne recht besehen jetzt als
       Verlierer der Entscheidung dastehen. Sie stellen seit 2016 die
       Bürgermeisterin von Turin, Chiara Appendino. Die wollte ihrerseits die
       Olympischen Spiele, aber dann doch nicht so richtig. Denn wie immer, wenn
       es um Großprojekte geht, ist das M5S gespalten: Gute Teile der Bewegung
       wollen von Olympischen Spielen nichts wissen. So zog die
       M5S-Bürgermeisterin von Rom, Virginia Raggi, [1][die Kandidatur für die
       Sommerspiele von 2024 zurück], und so verhedderte sich das M5S in Turin in
       Diskussionen über Sinn und Unsinn der Spiele.
       
       ## Turin zögerte
       
       Die Winterspiele hat die Stadt schon 2006 ausgerichtet, die städtische
       Infrastruktur hatte profitiert. Doch auf der anderen Seite steht der
       Schuldenberg von drei Milliarden Euro, der die Stadt Turin seitdem drückt.
       
       Während Turin zögerte, manövrierten Mailand und Cortina es mit ihrer
       Doppelkandidatur aus, die man durchaus auch als Zweckallianz zwischen der –
       Großprojekten immer zugeneigten – Lega und der PD lesen kann. Vor allem
       Mailand setzt darauf, nach der Expo 2015 mit der Olympiade einen weiteren
       Schritt nach vorn zu tun. Schon heute ist die Stadt die einzige Italiens,
       die anders als Rom, Turin oder Neapel im 21. Jahrhundert angekommen zu sein
       scheint: eine pulsierende Metropole, die sich mit anderen Metropolen
       Europas auf Augenhöhe weiß. Geht es nach Bürgermeister Sala, sollen jetzt
       die gut 900 Millionen Euro, die das IOC spendiert, Mailand weiteren Schub
       verleihen.
       
       Kaum jemand allerdings in Italien erinnert heute daran, dass diesmal mit
       Stockholm und Mailand-Cortina bloß zwei Kandidaturen vorlagen, weil die
       anderen möglichen Austragungsorte [2][zurückgezogen hatten]. Und einzig die
       Tageszeitung Il Fatto Quotidiano titelt, Mailand und Cortina hätten
       gewonnen, „Italien aber hat verloren“ – um dann vorzurechnen, dass bei den
       Olympischen Spielen, sommers wie winters, seit 1976 sich die Kosten
       gegenüber den ursprünglichen Sätzen im Schnitt fast verdreifacht haben.
       
       25 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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