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       # taz.de -- Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Völlige moralische Verkommenheit
       
       > Es ist Aufgabe der EU, die Flüchtlingskrise humanitär zu lösen. Viel mehr
       > als unterlassene Hilfeleistung ist bisher allerdings nicht passiert.
       
   IMG Bild: Solange die EU ihren Pflichten nicht nachkommt, muss es eben eine junge Kapitänin tun
       
       Das vorläufige Ende der neuerlichen Odyssee der „[1][Sea-Watch 3]“ am
       Samstag im Hafen von Lampedusa, [2][inklusive Verhaftung der Kapitänin
       Carola Rackete], ist ein weiterer trauriger Beleg der völligen moralischen
       Verkommenheit der Friedensnobelpreisträgerin EU. Die blauen Fahnen der
       Freiheit, Demokratie und Menschenrechte werden gern geschwenkt in
       Wahlkämpfen und natürlich in Abgrenzung zum Rest der Welt, beherrscht von
       brutalen Despoten und irren Präsidenten. An der eigenen Südgrenze aber weht
       der Hauch des Todes übers Mittelmeer. Seit 2014 sind dort mehr als 17.000
       Menschen bei dem Versuch ertrunken, Europa in Booten zu erreichen.
       
       Statt diese Menschen zu retten, versucht die EU, sie bereits in Afrika
       abzufangen. Wenn nötig, werden dabei Sklaverei und Folter vor Ort billigend
       in Kauf genommen. Auf dem Meer überwacht Frontex die Fluchtrouten, jedoch
       nicht um der Menschenleben willen. Dass in dieser Situation private
       Organisationen die zivilisatorisch vornehme Aufgabe der Seenotrettung
       übernehmen, nein, übernehmen müssen, ist ein Skandal allererster Güte. Die
       wiederholte Kriminalisierung der Retter*innen unterstreicht nur das
       absichtsvolle, menschenverachtende Kalkül hinter der über Jahre
       unterlassenen Hilfeleistung der EU-Staaten.
       
       Nun solidarisieren sich deutsche Politiker wie [3][Außenminister Heiko Maas
       (SPD)] oder [4][Cem Özdemir (Grüne)] auf Twitter und Bundespräsident
       Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview mit der verhafteten
       Sea-Watch-Kapitänin. Das ist nett. Besser wäre es, würden sie nur einen
       Gedanken daran verschwenden, dass die auch von ihren Parteien getragene
       Politik der Abschottung (Dublin-Regeln, Abschiebungen,
       Asylbewerberleistungsgesetz) ihren Anteil am Erstarken der europäischen
       Rechten haben.
       
       Die Verantwortung für die Menschenleben im Mittelmeer lässt sich nicht
       einfach abschieben, nicht nach Libyen, nicht nach Italien – und schon gar
       nicht auf die mutige private Rettungsflotte. Die humanitäre und
       demokratische Lösung der sogenannten Flüchtlingskrise ist eine Aufgabe der
       gesamten EU.
       
       Solange diese Aufgabe nicht angegangen wird in Berlin und Brüssel, Rom und
       Paris, [5][so lange wird eben eine junge Kapitänin vor Lampedusa Menschen
       retten] und den Finger auf diese gewaltig klaffende und sehr europäische
       Wunde legen. Immerhin der Unterstützung [6][einer starken Zivilgesellschaft
       kann sie sich dabei sicher sein].
       
       1 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://sea-watch.org/
   DIR [2] /Sea-Watch-3-legt-in-Lampedusa-an/!5608417
   DIR [3] https://twitter.com/HeikoMaas/status/1144949474076319744
   DIR [4] https://twitter.com/cem_oezdemir/status/1144939879266226176
   DIR [5] /Sea-Watch-Kapitaenin-festgenommen/!5608445
   DIR [6] https://www.leetchi.com/c/leben-retten-ist-kein-verbrechen-lasst-uns-die-seenotretter-retten
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
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