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       # taz.de -- Rhetorikexperte über Özdemir-Rede: „Die AfD macht Propaganda“
       
       > Welche Kommunikationsstrategien nutzt die AfD? Olaf Kramer erklärt
       > Rhetorikmethoden, die ein Klima der Angst erzeugen.
       
   IMG Bild: Alexander Gauland ist bekannt für seine Rhetorik der Angst – und für seine Krawatte
       
       taz: Herr Kramer, am Mittwoch zeichnen Sie den Grünen-Politiker Cem Özdemir
       für die „Rede des Jahres 2018“ aus. Was macht seine Rede so besonders? 
       
       Olaf Kramer: Was in Erinnerung bleibt, ist einmal der Satz, in dem er
       versucht, deutsche Identität zu beschreiben. Er sagt, dazu gehört der
       Verfassungspatriotismus, dazu gehört die deutsche Erinnerungskultur, dazu
       gehört auch die Diversität, die Deutschland inzwischen auszeichnet.
       Außerdem sagt er: Wenn er in seine Heimat fahren will, muss er nur mit der
       S-Bahn nach Stuttgart fahren.
       
       Was meint er damit? 
       
       Dieses tolle Zitat macht die Absurdität rechtspopulistischer Positionen
       deutlich. Die versuchen, Identität über biologische Traditionslinien zu
       erklären. Das geht gnadenlos vorbei an der globalisierten Welt, in der wir
       leben.
       
       Cem Özdemir ist in seiner Rede, [1][die er im Februar 2018 im Bundestag
       gehalten hat], auch laut und emotional geworden. Kann das nicht eher dazu
       führen, dass ein Debattenbeitrag unsachlich wird? 
       
       Eine gute Rede darf durchaus ein engagiertes Plädoyer sein, und ein Redner
       sollte für seine Sache einstehen. Zugleich gibt es ja bei Özdemir eine
       rationale Argumentation – trotz aller Emotionalität.
       
       Ab wann ist diese Emotionalität kontraproduktiv? 
       
       Der SPD-Politiker Johannes Kahrs sagte mal zu einem AfD-Politiker: „Hass
       macht hässlich, schauen Sie nur in den Spiegel!“ Da würde ich sagen, er hat
       die Grenze zum Populismus überschritten und fügt sich in einen Diskurs, wie
       die AfD ihn uns gern aufzwingen will.
       
       Haben Sie Reden von AfD-Politikern bei der Wahl der besten Rede des Jahres
       denn berücksichtigt? 
       
       Nein. Rhetorik sollte Menschen durch gute Argumente überzeugen. Es gibt
       viele AfD-Reden, die sich diesem argumentativen Zugriff entziehen, die sehr
       stark emotionalisieren und die sehr unterdifferenziert sind in der Art und
       Weise, wie wir auf komplexe Probleme reagieren, mit denen wir zu tun haben.
       
       Geht die [2][AfD nach einer konkreten Methode vor]? 
       
       Sie versucht ein Klima der Angst und Bedrohung zu schaffen: Angst vor
       Fremden, vor Zuwanderung, vor der Veränderung, in der sich unsre
       Gesellschaft befindet. Sie schafft immer wieder die Antithese, es gebe ein
       „ehrliches Volk“ und auf der anderen Seite die korrupten Eliten. Wir ziehen
       eine strikte Grenze zwischen Rhetorik und Propaganda. Rhetorik ist der
       Versuch, jemanden mit rationalen Argumenten zu beeinflussen, Propaganda ist
       auf Manipulation aus. Die AfD macht Propaganda.
       
       Wie kann man stattdessen ein guter Rhetoriker werden? 
       
       Ich könnte einen sehr guten englischsprachigen Tipp geben: „Put yourself in
       the other man’s shoes“, also „Ziehe die Schuhe des anderen an“. Das heißt:
       Wer zu Menschen spricht, sollte versuchen, sich in diese hineinzuversetzen.
       Er sollte sich vorstellen, ob die eigenen Argumente dazu geeignet sind, die
       Menschen anzusprechen, ihr Interesse zu wecken und sie zu überzeugen.
       
       3 Jul 2019
       
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