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       # taz.de -- Harter Kurs von Matteo Salvini: „Deutsche Verbrecherin“ ausweisen
       
       > Trotz massiver Kritik aus Europa: Für Italiens rechten Innenminister
       > Salvini zahlt sich die Härte gegen Seenotretter*innen politisch aus.
       
   IMG Bild: Matteo Salvini nutzt die Verhaftung der „Sea-Watch“-Kapitänin Carola Rackete für rechte Hetze
       
       Rom taz | Nach zweitägigem Hausarrest ist die Deutsche Carola Rackete am
       Montagvormittag mit einem Schiff der Finanzpolizei von Lampedusa nach
       Sizilien gebracht worden. In Agrigent war um 15.30 Uhr ihr
       Haftprüfungstermin angesetzt. Gleich mehrere Verbrechen wirft die
       Staatsanwaltschaft der Kapitänin der „Sea-Watch“ vor, die in der Nacht auf
       Samstag mit 40 Flüchtlingen an Bord [1][im Hafen Lampedusas angelegt
       hatte]: Gehorsamsverweigerung gegenüber einem Kriegsschiff, Gewalt- oder
       Widerstandsakte gegen ein Kriegsschiff, verbotswidrige Einfahrt in die
       italienischen Hoheitsgewässer, Begünstigung der illegalen Einwanderung.
       
       Auf den juristischen Prüfstand kommt damit die gesamte Kette der
       Ereignisse, seit die „Sea-Watch“ zunächst am vergangenen Mittwoch entgegen
       den Weisungen des italienischen Innenministers Matteo Salvini [2][in die
       12-Meilen-Zone vor Lampedusa vorgedrungen war] und dann am Samstag um 1.30
       Uhr wiederum gegen die Anordnungen der italienischen Behörden am Kai
       angelegt hatte. Schon vor dem Haftprüfungstermin verlautete, die
       Staatsanwaltschaft Agrigent wolle die Bestätigung des Haftbefehls durch die
       zuständige Untersuchungsrichterin verlangen, zugleich aber dessen
       Aussetzung unter der Maßgabe beantragen, dass für Rackete ein
       Aufenthaltsverbot für die Provinz Agrigent – zu der auch Lampedusa gehört –
       verfügt wird.
       
       Der Innenminister und Lega-Chef Salvini stellte seinerseits klar, dass er
       in diesem Fall „die deutsche Verbrecherin“ umgehend aus Italien ausweisen
       wolle. Sie habe mit ihrem Anlegemanöver „das Leben italienischer Militärs
       aufs Spiel gesetzt“. In der Nacht zum Samstag war es zu einer kritischen
       Situation gekommen, als die „Sea-Watch“ seitwärts auf den Kai zusteuerte
       und dabei Gefahr lief ein zwischen dem Flüchtlingsschiff und dem Kai
       befindliches, weit kleineres Patrouillenboot der Finanzpolizei mit fünf
       Beamten an Bord zu zerquetschen. Vor allem die regierungsnahen Medien
       Italiens nahmen diesen Vorfall zum Anlass, um die Skrupellosigkeit Racketes
       und ihrer Crew zu bebildern.
       
       Die Kapitänin hatte sich unmittelbar nach ihrer Festnahme bei den
       Finanzpolizisten entschuldigt. Aber zugleich widerspricht „Sea-Watch“ der
       Darstellung der Finanzpolizei. Giorgia Linardi, die italienische Sprecherin
       der NGO, erklärte am Sonntag, das Boot sei im letzten Moment in den engen
       Raum zwischen Kai und Flüchtlingsschiff gefahren und habe sich so selbst in
       Gefahr gebracht.
       
       ## Mutig gehandelt
       
       Während Salvini sich zu Hause über die Solidarität der gesamten Regierung
       freuen darf, bläst ihm aus Europa der Wind ins Gesicht. Nach dem deutschen
       Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Außenminister Heiko Maas
       äußerte sich auch Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU mit der
       Forderung, „dass Brüssel ein klares Signal setzt und die Freilassung
       einfordert“, denn Rackete habe „in einer absoluten Notlage“ gehandelt.
       
       Zu scharfen Tönen griff auch EU-Kommissar Günther Oettinger, der erklärte:
       „Mir sind die Bewertungen von Salvini egal. Als Bürger Europas habe ich
       volles Verständnis für diese Frau, die – glaube ich – mutig gehandelt hat.“
       Von der französischen Regierung wiederum musste Italien sich „eine
       Strategie der Hysterisierung“ vorwerfen lassen.
       
       Im eigenen Land jedoch zahlt sich Salvinis Strategie bisher aus. In einer
       Umfrage sprachen sich letzte Woche 61 Prozent der Bürger dagegen aus, dass
       die „Sea-Watch“ in Italien anlandet, und Salvinis fremdenfeindliche Lega
       freut sich weiter über Umfragewerte von 35 Prozent.
       
       1 Jul 2019
       
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