# taz.de -- Kommentar EU und Visegrád-Gruppe: Die konservativen Bremser
> Frans Timmermans ist ein rotes Tuch für die Konservativen der
> Visegrád-Gruppe. Die blockieren jetzt die Wahl des
> Kommissionspräsidenten.
IMG Bild: Die vier Köpfe der Visegrád-Gruppe bei einem Treffen in Budapest
Man kann es Viktor Orbán nicht leicht recht machen. Der ungarische
Ministerpräsident, dessen Partei Fidesz immer noch Mitglied der
Europäischen Volkspartei (EVP) ist, hat seinem Parteifreund Manfred Weber
(CSU) die Zustimmung schon vor den Europawahlen verweigert. Nämlich als
dieser signalisierte, er wolle nicht mit den Stimmen der Ungarn Präsident
der EU-Kommission werden. Das sei, so Viktor Orbán, ein so „beleidigender“
und „schwerwiegender Standpunkt“, dass jede weitere Unterstützung seiner
Fidesz für Weber ausgeschlossen sei.
Aber [1][der Sozialdemokrat Frans Timmermans], beim jüngsten Postengipfel
der Europäischen Union der heißeste Kandidat für die Nachfolge von
Jean-Claude Juncker, ist für Orbán ein besonders rotes Tuch. Als
Kommissions-Vizepräsident ist er unter anderem für die Einhaltung der
Rechtsstaatlichkeit in der EU zuständig und hat 2018 die Einleitung eines
Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn unterstützt. Es geht um gesetzgeberische
Maßnahmen gegen die Medienfreiheit, die Unabhängigkeit der Justiz, gegen
die Wissenschaftsfreiheit und Rechte der Minderheiten.
Gegen Polen hat Timmermans wegen der umstrittenen Justizreform bereits 2017
ein solches Verfahren veranlasst. Der polyglotte Niederländer, der sich im
Wahlkampf für ein soziales Europa und einen ökologischen Umbau starkgemacht
hat, ist auch sonst so ziemlich die Antithese zur nationalistischen
Engstirnigkeit eines Viktor Orbán oder Jarosław Kaczyński.
Polen und Ungarn gehören gemeinsam mit Tschechien und der Slowakei [2][der
informellen Visegrád-Gruppe] an, die innerhalb der EU als konservativer
Bremsblock auftritt. Besonders Polen und Ungarn haben sich durch ihre
Bemühungen, den Rechtsstaat zugunsten der Allmacht der Regierenden
zurückzustutzen, hervorgetan. Orbán hat zudem in der Flüchtlingsabwehr ein
Thema entdeckt, mit dem er so ziemlich alle Maßnahmen innenpolitisch
erfolgreich verkaufen kann.
Gegen Jean-Claude Juncker lief in Ungarn im Vorfeld der EU-Wahlen bereits
eine hässliche Plakatkampagne, die den Luxemburger gemeinsam mit dem
Milliardär und Förderer liberaler Ideen George Soros abbildete. Beide
wurden beschuldigt, Europa mit Flüchtlingen „überschwemmen“ zu wollen. Eine
bereits geplante Plakataktion gegen Timmermans wurde auf Druck der EU
eingestampft. Aber jetzt hat Orbán die Gelegenheit zurückzuschlagen.
Zwar erfordert die Wahl des Kommissionspräsidenten nur eine qualifizierte
Mehrheit, doch Ratspräsident Donald Tusk bemüht sich um Einstimmigkeit, um
ein Auseinanderdriften der Union zu verhindern. Dabei zeigt sich, dass das
Fundament gemeinsamer Werte längst Illusion ist.
Mit der großen Erweiterung 2004 hat man sich Mitglieder mit einer anderen
Geschichte und anderen Prioritäten eingekauft, die an einer Vertiefung der
EU kein Interesse haben. Ein Dilemma, dem sich der künftige
Kommissionspräsident stellen muss.
2 Jul 2019
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## AUTOREN
DIR Ralf Leonhard
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