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       # taz.de -- Panafrikanisches Freihandelsabkommen: Made in Africa
       
       > Am Wochenende soll das Freihandelsabkommen zwischen den 55 Staaten in
       > Kraft treten. Auch das Schwergewicht Nigeria ist nach langem Zögern
       > dabei.
       
   IMG Bild: Nigers Präsident Mahamadou Issoufou bei einem Treffen der Afrikanischen Union im März 2018
       
       Abjuja taz | Sie ist zwar vorerst nur eine ambitionierte Absichtserklärung,
       aber die „Africa Continental Free Trade Area“ – kurz AfCFTA – ist in den
       vergangenen Wochen in den höchsten Tönen gelobt worden. Das
       Freihandelsabkommen, das innerafrikanische Handelsschranken abbauen soll,
       wurde am 30. Mai durch das Erreichen der notwendigen Anzahl an
       Ratifizierungen rechtskräftig. An diesem Wochenende soll es beim
       Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) in Nigers Hauptstadt Niamey
       formell in Kraft gesetzt werden. AU-Handelskommissar Albert Muchanga nennt
       AfCFTA „die Weiterentwicklung einer langen Reise“. Nun sollen Schritte wie
       die Schaffung einer Zoll- und Währungsunion, eines gemeinsamen Marktes und
       möglicherweise auch eine afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft folgen, sagte
       der Sambier Mitte Juni.
       
       Perspektivisch soll durch die „Afrikanische Freihandelszone“ ein
       panafrikanischer Binnenmarkt nach EU-Muster entstehen, mit freiem Waren-
       und Personenverkehr und der Liberalisierung von Dienstleistungen. Afrikas
       Staaten sollen ab sofort Handelshemmnisse verringern, so den
       innerafrikanischen Handel ankurbeln und Handelsstreitigkeiten künftig
       untereinander nach gemeinsamen Regeln klären. All das ist zentraler
       Baustein des Fernziels der AU: Bis zum Jahr 2063, hundert Jahre nach
       Gründung des AU-Vorgängers OAU (Organisation für Afrikanische Einheit),
       soll Afrika geeint und wohlhabend sein.
       
       Ein entscheidendes Land fehlte bisher: Nigeria. Der größte Ölexporteur des
       Kontinents hat eine Bevölkerung von rund 200 Millionen Menschen und ist vor
       Südafrika die größte Volkswirtschaft Afrikas. Abhängig von Nigeria ist vor
       allem der mit 11 Millionen Einwohnern relativ kleine Nachbar Benin. Benin
       hat AfCFTA bislang ebenfalls nicht unterschrieben, auch nicht das
       abgeschottete Eritrea.
       
       Nach langem Zögern hat Nigeria wenige Tage vor dem AU-Gipfel doch noch
       eingelenkt. Per Twitter kündigte Präsident Muhammadu Buhari an, das
       Abkommen zu unterzeichnen, um Einfluss auf seine Umsetzung nehmen zu
       können. Man wolle „Schutzmaßnahmen gegen Schmuggel und Dumping“, so die
       Mitteilung der Präsidentschaft, und: „Afrika braucht nicht nur eine
       Handelspolitik, sondern eine kontinentweite Industriepolitik. Unsere Vision
       für den innerafrikanischen Handel ist Freizügigkeit für Waren ‚Made in
       Africa‘“.
       
       „Nigeria hat sich um die Konsequenzen gesorgt, vor allem, wenn es um die
       lokale Produktion geht“, beschreibt Gbenga Adebija, Direktor der
       Nigerianisch-Deutschen Wirtschaftsvereinigung mit Sitz in Lagos, die bisher
       ablehnende Haltung. Diskutiert worden sei auch, ob Freihandel minderwertige
       Waren in das Land bringen würden. Und was offene Grenzen für die Sicherheit
       bedeuten.
       
       ## „Es ist absolut notwendig“
       
       „Gibt es auf dem Kontinent Firmen, die dieselben Produkte herstellen und
       dann nach Nigeria exportieren? Das könnte ganze Industriezweige zerstören“,
       fasst Eze Onyekpere, Leiter des Zentrums für soziale Gerechtigkeit in
       Abuja, weitere Bedenken in Nigeria zusammen. Mitunter würde sich das
       riesige Land auch nicht für wettbewerbsfähig genug halten. „Welche
       Dienstleistungen und Güter lassen sich überhaupt exportieren? Oder bleibt
       das Land letztendlich nur Konsument?“
       
       Doch ohne eine Unterschrift würde Nigeria bei künftigen Gesprächen rund um
       AfCFTA nicht mitreden können. Das gab den Ausschlag, doch teilzunehmen.
       Laut Gbenga Adebija wird sich Nigeria dabei dafür einsetzen, dass
       Arbeitsplätze entstehen und die Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmer sich
       verbessern.
       
       Unmittelbares Ziel des Freihandelsabkommens ist es, den Handel zwischen den
       55 Staaten der AU, in denen mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben,
       anzukurbeln. Aktuell wird nur ein Fünftel des Handels auf dem Kontinent mit
       anderen afrikanischen Staaten abgewickelt.
       
       Gehandelt wird stattdessen mit den einstigen europäischen Kolonialmächten
       sowie zunehmend mit China. Einerseits liegt es daran, dass der Kontinent
       bis heute meist Rohstofflieferant geblieben ist. Doch auch die schlechte
       Infrastruktur und die in einigen Ländern massive Korruption wirken
       bremsend. Wer etwa in Nigeria Güter durch das Land fährt, muss an jedem
       Checkpoint Geld lassen, das Sicherheitskräfte mal diskret, mal sehr offen
       in die Taschen stecken. An vielen afrikanischen Grenzen sieht es ähnlich
       aus.
       
       Auch das soll sich dank AfCFTA ändern, indem Staaten miteinander
       kooperieren, um den Grenzverkehr zu erleichtern. Eze Onyekpere vom Zentrum
       für soziale Gerechtigkeit ist sich sicher: Es ist an der Zeit, dass Afrikas
       Wirtschaft enger zusammen rückt. „Es ist absolut notwendig, eine
       Handelszone für den ganzen Kontinent zu schaffen, durch die Güter ohne
       Grenzen und staatlichen Protektionismus transportiert werden können. Wenn
       Nigeria zweifelt, sollte das eher Anlass sein, die Bedingungen zu
       verbessern.“
       
       5 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
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