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       # taz.de -- Stadtbäume in Berlin: Nachwuchs leider nicht in Sicht
       
       > Weil die Bezirke zu wenig Geld für Baumpflege haben, hat Berlin seit 2013
       > mehr als 20.000 Straßenbäume verloren. Die Grünen wollen jetzt
       > aufforsten.
       
   IMG Bild: Dieser Baumstumpf am Landwehrkanal hat schon ein bisschen Nachwuchs
       
       Berlin taz | Wenn die Temperaturen steigen, bekommen auch die Straßenbäume
       wieder Stress. Wie sehr ihnen der heiße Juni zugesetzt hat, darüber können
       die Behörden bislang nur rätseln. „Wir wissen noch nicht einmal, welche
       Auswirkungen der heiße Sommer im vergangenen Jahr hatte“, sagt Derk Ehlert
       von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Verbraucherschutz.
       „Wahrscheinlich sehen wir erst im Herbst oder noch später, wie viele Bäume
       abgängig sind.“
       
       Tatsache ist, dass die Zahl der Berliner Straßenbäume dramatisch abnimmt.
       Alleine 2018 wurden 6.200 Bäume gefällt – wegen Sturmschäden oder
       Bauarbeiten. Neu gepflanzt wurden lediglich 2.100 Bäume. Insgesamt habe
       Berlin in den letzten sechs Jahren 22.000 Straßenbäume verloren, hatte der
       BUND im Frühjahr Alarm geschlagen. Derzeit beläuft sich die Zahl der
       Straßenbäume in Berlin, eine der grünsten Metropolen Europas, auf 434.734.
       
       Vor diesem Hintergrund hören sich die Pläne der Grünen fast wie eine Utopie
       an. Anfang Mai hatte die grüne Fraktion im Abgeordnetenhaus einen
       11-Punkte-Plan für mehr Bäume in Berlin präsentiert. „Wir wollen die Zahl
       der Straßenbäume bis 2030 auf 450.000 steigern“, formuliert der
       naturschutzpolitische Sprecher Turgut Altuğ das ehrgeizige Ziel. Vorerst
       soll aber zumindest die „grüne Null“ stehen – also wenigstens so viele
       Bäume neu gepflanzt wie gefällt werden.
       
       Demgegenüber steht der Alltag in den für Straßenbäume zuständigen Bezirken.
       So ließ der grüne Stadtrat für Stadtentwicklung in Charlottenburg, Oliver
       Schruoffeneger, im März wissen, dass in seinem Bezirk vorerst keine neuen
       Bäume gepflanzt würden. Der Grund: Das Bezirksamt habe noch nicht einmal
       die nötigen Mittel, um die vorhandenen Bäume zu pflegen.
       
       ## 80 Euro für die Pflege eines Baumes
       
       Das wollen die Grünen nun ändern. „Wir wollen im Doppelhaushalt 2020/2021
       die Pauschale für die Baumpflege verdoppeln“, sagt Turgut Altuğ. Von
       derzeit 48 Euro sollen die Zuwendungen des Senats an die Bezirke dann auf
       80 Euro jährlich pro Straßenbaum steigen. „Nur dann sind die Bezirke in der
       Lage, die Baumpflege fachgerecht durchzuführen“, meint der Grüne. Mit einer
       dauerhaften Erhöhung könnten die Bezirke langfristig planen und Personal
       einstellen.
       
       Über den Stand der Verhandlungen wollte sich Ehlert von der
       Umweltverwaltung vorerst nicht äußern. Er verwies aber darauf, dass schon
       jetzt mehr Mittel zur Verfügung stünden. Dank einer Sonderzuweisung gebe es
       im Jahr 2019 zusätzlich 8,1 Millionen Euro für die Berliner Straßenbäume.
       Den Bezirken stünden damit in diesem Jahr 67 Euro pro Baum zur Verfügung.
       Eine Erhöhung auf 80 Euro würde laut Altuğ im Jahr 13 bis 14 Millionen Euro
       kosten.
       
       Mehr Bäume pflanzen hat sich auch die Stadtbaumkampagne vorgenommen. Neben
       den bezirklichen Neupflanzungen können mit dieser Kampagne auch Bürgerinnen
       und Bürger für mehr Straßengrün sorgen. „Wer 500 Euro spendet, bekommt den
       Rest der Kosten vom Senat“, sagt Ehlert. Derzeit liegen die Kosten für eine
       Neupflanzung samt drei Jahren Pflege bei 2.000 Euro. In diesem Jahr will
       die Kampagne 600 neue Straßenbäume pflanzen. Wo genau, ist auf einer
       [1][interaktiven Karte] auf ihrer Website zu sehen.
       
       ## Berlin ist unter Linden
       
       Von den Berliner Straßenbäumen hat die Linde derzeit mit 35 Prozent den
       größten Anteil. Es folgen mit 20 Prozent verschiedene Ahornarten und Eichen
       mit 9 Prozent. Platanen machen 6 Prozent aus. Wegen der immer heißeren
       Sommer fordert nun Andreas Otto, grüner Kollege von Altuğ, mehr großkronige
       Bäume zu pflanzen: „Kühlung und Verschattung von Straßen und Wegen werden
       immer wichtiger“, erklärt Otto. „Deshalb muss das Ziel sein, großkronige
       Laubbäume in den Straßen heranwachsen zu lassen, die viel Verdunstungskälte
       und Schattenwurf erzeugen.“
       
       In einer kleinen Anfrage an den Senat hat Otto herausfinden wollen, ob es
       eine von ihm befürchtete Vorschrift gebe, dass nur noch schmalkronige Bäume
       gepflanzt werden sollen, da diese weniger Pflegeaufwand aufweisen. Die
       Antwort war allerdings negativ: „Es gibt keine Vorgabe im Land Berlin, nur
       schmalkronige Bäume wegen der Pflegekostenminimierung zu pflanzen“, lautete
       die Antwort.
       
       Auch Turgut Altuğ wittert kein Unheil: „Kühlung und Schattenwurf sind
       wichtige Kriterien. Die Klimaresilienz, also die Widerständigkeit gegen den
       Klimawandel, aber auch die Standortbegebenheiten sind von Bedeutung.“
       
       Zu diesen Standortbegebenheiten gehören auch enge Straßen, in denen man
       keine Eiche pflanzen würde, sagt Senatsvertreter Ehlert. Aber auch er
       beruhigt: „Die Neupflanzungen entsprechen in der Zusammensetzung der Arten
       im Wesentlichen dem Bestand.“ Soll heißen: Linden und Eichen sind ohnehin
       großkronig. Von den am häufigsten vertretenen Straßenbäumen vertragen nur
       Platanen einen deutlichen Baumschnitt.
       
       Allerdings könnte sich der Baummix in naher Zukunft noch einmal ändern. In
       der Antwort der Umweltverwaltung auf Ottos Anfrage ist nämlich auch von
       Pilotprojekten die Rede, in denen erforscht wird, welche anderen Baumarten
       in Zukunft auf die veränderten Standortbedingungen eine Antwort sein
       könnten. So führt das Pflanzenschutzamt in Kooperation mit dem Bezirk
       Neukölln und der Humboldt-Uni einen „Straßenbaumtest mit
       zukunftsträchtigen, sogenannten stadtklimatoleranten Baumarten“ durch.
       
       Die „grüne Null“ wird damit aber nicht erreicht. Dafür braucht es mehr Geld
       für die Bezirke und Berlinerinnen und Berliner, die spenden.
       
       11 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/stadtbaeume/kampagne/de/karte/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
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