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       # taz.de -- Dokumentarfilm „Monowi, Nebraska“: Eine Nation in a nutshell
       
       > Lilo Mangelsdorffs Dokumentarfilm porträtiert die USA im ganz Kleinen.
       > Die Protagonistin ist die einzige Bewohnerin des Dorfes Monowi.
       
   IMG Bild: Elsie Eiler ist über 80 und betreibt immer noch eine Taverne. Die ist sogar „world famous“
       
       In Monowi, Nebraska, ist nicht viel los. Häuser stehen leer. Einzelne
       Straßen hat sich die üppige Vegetation längst zurückerobert. Für Aufsehen
       sorgt ein länglicher Wohnwagen, in dem jetzt manchmal ein junger Mann über
       die Sommermonate hausen soll. Andererseits: Was ist an Lebhaftem auch schon
       zu erwarten an einem Ort, in dem nur eine einzige Bewohnerin gemeldet ist?
       Und angesichts dieses Umstands kann man eigentlich fast schon wieder
       behaupten: In Monowi, Nebraska, da steppt der Bär.
       
       Grund ist eine kleine Taverne, die sogar „world famous“ ist und von Elsie
       Eiler betrieben wird. Ebenjener einzigen Bewohnerin Monowis. Mit über
       achtzig Jahren schmeißt sie das Geschäft noch an sechs Tagen der Woche,
       formt aus Hackfleisch Burger Patties und lässt sie auf dem Grill brutzeln,
       schneidet Eisbergsalat (den sie mit einer großen Auswahl fettiger Dressings
       reicht) und sorgt dafür, dass stets heißer Kaffee vorrätig ist.
       
       Elsie Eiler ist Monowi. Die Frankfurter Dokumentarfilmerin Lilo
       Mangelsdorff („Damen und Herren ab 65“) hat ihren Film deshalb ganz
       folgerichtig nach der winzigen Siedlung benannt, der im Grunde doch vor
       allem ein Porträt über Elsie Eiler ist.
       
       ## Mitte der vierziger Jahre ging es bergab
       
       Natürlich ist beides nicht voneinander zu trennen. Eiler ist lang genug auf
       der Welt, lang genug in Monowi, um sich zu erinnern, wie es hier einmal
       gewesen ist. Dank ihres Gedächtnisses und einiger überraschender Besuche –
       gleich zu Anfang betritt ein Mann mit „Coca Cola – the real thing“-T-Shirt
       die Taverne und stellt sich als letzter Spross (der zwölfte!) eines einst
       ansässigen Familienclans vor – entsteht ein Bild, eine Idee von Monowi in
       Blüte. Die liegt weit zurück.
       
       Mitte der vierziger Jahre ging es mit der Stadt bergab. Als Männer nicht
       aus dem Krieg zurückkehrten. Es sich in den größeren Städten Nebraskas –
       oder gleich ganz woanders – besser leben ließ.
       
       Nun sehen die paar Häuser, in denen einst kleine Schulen und sogar ein
       eigenes Gefängnis untergebracht war, bald aus wie diese Hütten, die Kinder
       unter Anleitung von Erwachsenen hin und wieder im Wald errichten. Und die
       Straßen, die überdurchschnittlich viele Frauennamen tragen, „Louisa Street“
       oder „Marion Street“ oder „Pauline Street“, verschwinden von den Karten.
       
       Dass Lilo Mangelsdorff auf Elsie Eiler gestoßen ist, kann nur als
       Glücksfall bezeichnet werden. Eiler, die One-Woman Tavern, trifft auf
       Mangelsdorff, die auch alles selbst macht – Kamera, Schnitt, Produktion,
       selbstredend Regie. Vielleicht rührt daher der ruhige Umgang, den beide
       Frauen miteinander zu pflegen scheinen.
       
       ## Amerika als „Wegwerfland“
       
       Wohl ticken die Uhren in Monowi aber auch einfach langsamer. Das Minimum an
       Handlungsorten lädt zudem ein, alles, was sich vor einem präsentiert, viel
       genauer zu observieren.
       
       Ständig hängt einem etwa das riesige Schild mit dem Speiseangebot vorm
       Gesicht: Hot Dog 1,25 Dollar, T-Bone Steak 14,75. Oder die silbrige
       Alufolie, mit der Elsie Eilers kleine Küche tapeziert ist. Man kann
       beobachten, wie Briefe mit US-Flaggen-Stickern versiegelt werden, und fragt
       sich, warum in der Tavern eigentlich ausschließlich Plastikgeschirr zum
       Einsatz kommt.
       
       Letzteres erklärt Eiler einmal wahrscheinlich selbst, als sie Amerika ein
       „Wegwerfland“ nennt. Obwohl sie damit eigentlich meint, dass von Monowi
       eines Tages nichts mehr übrig sein wird – die Amerikaner planen einfach
       nicht für die Ewigkeit. So ist „Monowi, Nebraska“ auch eine Nation in a
       nutshell.
       
       Dabei ist eine andere Welt stets ganz nah, auch hier. Ein paar Meter neben
       der Taverne steht „Rudy’s Library“, der Stolz von Elsie Eilers verstorbenem
       Ehemann Rudy. Hier schlummern große Romane neben Büchern der
       Ruth-Fielding-Serie. Die Chroniken von Monowi.
       
       12 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolin Weidner
       
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