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       # taz.de -- Empörung über ICE-Durchsage: Kritische Kompetenzüberschreitung
       
       > Eine Frau beschwerte sich auf Facebook über eine den NS verharmlosende
       > Durchsage im Zug. Nun wird sie von Rechten bedroht. Ein AfD-Mann heizte
       > an.
       
   IMG Bild: Rot für den Zugbegleiter, der mit seiner Durchsage den NS verharmloste
       
       Verspätungen sind ärgerlich. Die folgende Durchsage, die Julietta F. am
       Montag in einem ICE dazu hörte, entsetzte sie aber nicht wegen des
       Zeitverlusts: „Liebe Fahrgäste, unser Zug hat wegen der Entschärfung einer
       Bombe, die die Westalliierten auf die unschuldige Bevölkerung Frankfurts
       abgeworfen haben, zur Zeit fünfundvierzig Minuten Verspätung.“ So gab F.
       die Durchsage in einem Post auf der Facebook-Seite der Deutschen Bahn
       wieder und fragte: „Ist es im Sinne der Deutschen Bahn, dass Mitarbeiter
       politische Statements verbreiten?“
       
       Ihr Tonfall dürfte damit nüchterner und sachlicher gewesen sein als die
       durchschnittliche Beschwerde bei der Bahn. Als Antwort brach dann dennoch
       eine regelrechte Hasswelle über F. herein. Facebook, nicht unbedingt
       bekannt dafür, schnell auf [1][rechte Hetze] zu reagieren, scheint den
       ursprünglichen Post wegen der vielen hasserfüllten Kommentare darunter
       deshalb mittlerweile gelöscht zu haben.
       
       Aber auch in privaten Nachrichten beschimpften Facebook-Nutzer F. weiterhin
       als „Denunziantin“ oder als „Dreckzecke“ und empörten sich darüber, dass
       sie „das Andenken an Hunderttausende unschuldige Opfer des Bombenkrieges“
       beschmutzen würde. In einigen Nachrichten schwingen auch Gewaltandrohungen
       mit. F. sagt im Gespräch mit der taz, sie werde diese Leute anzeigen. Sie
       habe Angst.
       
       Menschen wie [2][AfD-Politiker Gunnar Lindemann] heizen unterdessen die
       Stimmung gegen F. weiter an. Er unterstellt auf Facebook „Doppelmoral“ und
       wirft vor, dass Bomben auf Zivilisten wohl okay seien, solange Deutsche die
       Opfer seien. Auch sei der Abwurf von Bomben auf die deutsche
       Zivilbevölkerung seiner Meinung nach eine historische Tatsache und kein
       politisches Statement.
       
       Doch ganz abgesehen davon, dass es wohl kaum im Kompetenzbereich eines
       Zugbegleiters liegt, die Fahrgäste mit den NS verharmlosenden
       Meinungsbeiträgen zu beglücken, ist der Abwurf der Bomben vielleicht eine
       Tatsache, aber die Unschuld der deutschen Bevölkerung ist es nicht.
       
       Dass Lindemann nun andeutet, F. habe es nur auf die mediale Aufmerksamkeit
       abgesehen, ist abstrus – diese Art der Aufmerksamkeit wünscht sich wohl
       kaum jemand. Dass er die Beschwerde einer Privatperson gerade selbst
       benutzt, um Applaus von seinem Publikum zu ernten – geschenkt. Die Bahn hat
       sich bei F. für ihre Courage bedankt. Der verantwortliche Zugbegleiter sei
       aus dem Kundenkontakt genommen worden.
       
       12 Jul 2019
       
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