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       # taz.de -- Fahrradrennen „Tour de France“: Frankreich kommt in Tritt
       
       > Julian Alaphilippe fährt in Gelb, auch Thibaut Pinot hat die
       > Gesamtwertung im Blick. Die französischen Fahrer zeigen sich so stark wie
       > lange nicht.
       
   IMG Bild: 4. Tour-Etappe: Julian Alaphilippe auf dem Weg von Reims nach Nancy
       
       Brioude taz | Es sind derzeit schwere Zeiten in Frankreich. In Nizza
       begannen exakt drei Jahre nach dem dortigen Terroranschlag am 14. Juli 2016
       zwei Prozesse, die sich auch gegen Mittäter und Helfer des getöteten
       Attentäters richten. In Paris wird zur gleichen Zeit die Polizei
       mobilisiert, weil die Bewegung der Gilets jaunes, der Gelbwesten, erneut zu
       Protesten und Demonstrationen aufgerufen hat, bei denen Ausschreitungen
       befürchtet werden.
       
       Und Franzosen, die noch ganz alten Zeiten nachtrauern, ergötzen sich an der
       Militärparade, die es zu Ehren des Nationalfeiertags gab. Die
       Sonntagsausgabe der Regionalzeitung Aujourd’hui scheute sich nicht, eine
       Grafik mit all den gepanzerten Gefährten und Fußsoldaten, die sich über die
       Champs-Élysées begeben werden, und all den Jagdflugzeugen und Helikoptern,
       die man hoch über den Köpfen sehen wird, gleich als Doppelseite zu
       platzieren.
       
       In einem solchen Kontext wirkt ein Sportereignis wie die Tour de France,
       das ja auch ein Werbespektakel ist, doch geradezu friedfertig und
       zivilgesellschaftlich sympathisch.
       
       Zur Attraktivität trägt in diesen Tagen vor allem Julian Alaphilippe bei.
       Der Radprofi aus dem südlich von Paris gelegenen Departement Cher, der in
       diesem Jahr schon Mailand–Sanremo gewann, hatte sich bereits mit seinem
       Etappensieg auf der 3. Etappe und dem daraus resultierenden Gelben Trikot
       in die Herzen seiner Landsleute gefahren.
       
       ## Wie langjährige Tandempartner
       
       Auf dem Plateau des Belles Filles verlor er das Symbol des Spitzenreiters
       dann allerdings. Aber die französischen Radfans sahen, dass der Mann, der
       in seiner Freizeit Schlagzeug spielt, wirklich kämpfte und wirbelte. Am
       Samstag holte Alaphilippe sich dann tatsächlich das Gelbe Trikot zurück –
       mit einem Parforceritt im Finale einer 200 Kilometer langen Etappe durch
       das Zentralmassiv.
       
       Alaphilippe trat am letzten Berg an, holte sich die dortigen Bonussekunden
       und fuhr gemeinsam mit seinem Landsmann Thibaut Pinot dem Ziel entgegen,
       als seien die beiden langjährige Tandempartner. So verfolgten sie den für
       sie letztlich nicht einholbaren Dauerausreißer Thomas De Gendt und holten
       Platz zwei und drei. Pinot brachte das wertvolle Sekunden im
       Gesamtklassement. Und Alaphilippe hatte Gelb wieder.
       
       „Ich war gar nicht so traurig darüber, dass ich es auf der Planche des
       Belles Filles verloren hatte“, sagte er im Anschluss. „Ich hatte alles
       gegeben, und der Rückstand danach war nur gering. Und ich hatte mir
       vorgenommen, am Samstag auf dem letzten Berg zu attackieren, um mir das
       Trikot zurückzuholen. Jetzt ist es fantastisch, es am Nationalfeiertag zu
       tragen. Ich werde das niemals vergessen.“
       
       In diesen Zeiten für Frankreich ist das Datum 14. Juli schon bedeutend:
       Fünf Jahre ist es her, dass zuletzt ein Franzose am 14. Juli in Gelb fuhr,
       Tony Gallopin war es damals. Doch Alaphilippe überstrahlt alle, sowohl
       Gallopin als auch Thomas Voeckler, den mittlerweile zurückgetretenen
       früheren Radhelden der Nation. Denn im Gegensatz zu Voeckler kann
       Alaphilippe zweierlei: Er ist nicht nur, wie einst jener, zu heroischen
       Attacken fähig, er gewinnt solche Rennen auch oft.
       
       ## Rennfahrer alter Schule
       
       Bereits vor der Tour führte er die UCI-Weltrangliste an und außer
       Mailand–Sanremo hatte er schon Rennen wie den Wallonischen Pfeil und Strade
       Bianche gewonnen. Letzteres ein Lehmstraßenrennen, das Männer mit Punch und
       Mut belohnt. Auch deshalb wird Alaphilippe in Frankreich jetzt als
       Rennfahrer alter Schule gefeiert. „Ich mag Radfahren einfach, es macht mir
       einfach Spaß“, gibt er der Begeisterung Zucker. Ich mag hingegen die ganze
       Rechnerei nicht.“
       
       Ganz stimmt das nicht, denn der mittlerweile 27-Jährige hat Rechnen und
       Renneinteilung mittlerweile gelernt: Vor Jahren war er berühmt für seine
       wilden Angriffe, die seinen Teamchef Patrick Lefevere zu Verzweiflung
       brachten. Jetzt aber hat er gelernt, seine Attacken zu timen. Nicht umsonst
       suchte er sich auf der Etappe am Samstag den letzten Berg aus und legte
       dort alle Kraft in die Pedalen.
       
       Alaphilippe verdankt seine Popularität auch seinem kongenialen Begleiter
       auf dieser Etappe, Thibaut Pinot. Der Mann aus den Vogesen, der dort Esel
       und Schafe züchtet, ist gleichfalls ein Instinktfahrer, der die Attacke
       liebt – und den Gesamtsieg im Blick hat. Als „Gebrüder Feuerwerk“ feierte
       denn auch die Sportzeitung L’Équipe die beiden. Das Feuerwerk, das sie
       abfackeln, kommt zum rechten Datum: Es trägt dazu bei, den Nationalfeiertag
       zu illuminieren. Und so hilft die Tour de France, die dieses Jahr mit
       starken französischen Fahrern aufwartet, auch dem Land in diesen schweren
       Zeiten.
       
       14 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Mustroph
       
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